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Chronik

1950

Januar

In Werdau/Sachsen bildet sich eine Widerstandsgruppe aus ca. 20 Schülern. Sie protestieren mit Flugblättern gegen die Scheinwahlen zur Volkskammer vom 15. Oktober 1950. Dafür werden die zum Teil Minderjährigen zu hohen Zuchthausstrafen verurteilt.

1950 werden nach westlichen Beobachtungen 78.293 Personen von Sowjetischen Militärtribunalen und DDR-Gerichten zu Zwangsarbeit und Zuchthausstrafen verurteilt. 197.788 Menschen verlassen die DDR in Richtung Bundesrepublik.

Der israelische Ministerpräsident Ben Gurion erklärt Jerusalem zur israelischen Hauptstadt und verstößt damit gegen UN-Beschlüsse.

In der Sowjetunion wird die 1947 abgeschaffte Todesstrafe wieder eingeführt. Dies gilt auch für die Sowjetischen Militärtribunale in der DDR.

Die Alliierten Hohen Kommissare heben den Lizenzzwang für politische Parteien in der Bundesrepublik auf.

Die Regierung der DDR gibt den Beschluss der Sowjetunion bekannt, ihre auf dem Gebiet der DDR bestehenden Internierungslager aufzulösen. Circa 10.000 Internierte kommen frei; 10.500 von Sowjetischen Militärtribunalen Verurteilte kommen zur weiteren Strafverbüßung in DDR-Haftanstalten; circa 3.400 Personen werden den DDR-Behörden „zur Untersuchung ihrer Schuld“ und Aburteilung übergeben.

In Neu-Delhi wird die Republik Indien proklamiert.

Februar

Gründung des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS).

Der Hallenser Medizinstudent Horst Hennig protestiert öffentlich gegen die undemokratischen Studentenratswahlen vom 9. Februar 1950. Daraufhin wird er vom sowjetischen Geheimdienst verhaftet und von einem Militärgericht zu 25 Jahren Zwangsarbeit verurteilt. Quelle: Universitätsarchiv Leipzig

Im Vorfeld der Studentenratswahlen vom 9. Februar 1950 kommt es an der Universität Halle zu Protesten.
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Gründung der Vereinigung der Opfer des Stalinismus (VOS) in West-Berlin.

Abschluss des sowjetisch-chinesischen Freundschafts- und Beistandspakts in Moskau.

Die Strafvollzugsanstalt Bautzen I, das „gelbe Elend“, wird von den sowjetischen Besatzern an die DDR-Justiz übergeben.

Erich Nehlhans stirbt in sowjetischem Krankenhaus. Der frühere Vorsitzende der jüdischen Gemeinde Berlins wurde 1948 von den Sowjets zu 25 Jahren Arbeitslager verurteilt.

März

Der nationalchinesische Führer Chiang Kai-shek proklamiert auf der Insel Taiwan die Republik China und übernimmt das Amt des Staatspräsidenten.

In Paris unterzeichnen der saarländische Ministerpräsident und der französische Außenminister zwölf Konventionen, die das Saarland als Protektorat an Frankreich bindet.

Konrad Adenauer legt im Bundestag Rechtsverwahrung gegen die Saar-Konvention ein.

17 Schüler und Lehrer werden in Altenburg vom sowjetischen Geheimdienst verhaftet. Sie hatten am 21. Dezember 1949 die Rundfunkübertragung zum 70. Geburtstag Stalins mittels eines selbstgebauten Senders gestört.

Die UdSSR entlässt die DDR formell in die begrenzte Souveränität.

April

Im Bundeskanzleramt wird eine Dienststelle für Auswärtige Angelegenheiten eingerichtet.

Das DDR-Ministerium für Volksbildung verbietet das Abspielen von anglo-amerikanischer Tanzmusik in der Öffentlichkeit.

Das Justiz-Grauen zwischen Leipzig und Chemnitz: Im berüchtigten Zuchthaus Waldheim finden von April bis Juni 1950 die sogenannten Waldheimer Prozesse gegen ehemalige Insassen der Speziallager statt. Diese Verfahren sind die schwersten Justizverbrechen in der DDR-Geschichte, denn sie finden nur aufgrund pauschaler Verdächtigungen und ohne Ermittlung im Einzelfall statt. Ohne Rechtsbeistand werden hier über 3.000 Schnellverfahren abgewickelt, von denen nur vier im Freispruch enden. Es werden 32 Todesstrafen werden verhängt, die in 24 Fällen vollstreckt werden. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft

Beginn der Waldheimer Prozesse, in denen innerhalb von nur drei Monaten knapp 3.400 Internierte der sowjetischen Speziallager in Schnellverfahren abgeurteilt werden. In den Speziallagern des NKWD sitzen von 1945 bis zu deren Auflösung 1950 rund 160.000 Häftlinge ein.
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Beginn des ersten politischen Schauprozesses des Obersten Gerichts der DDR in Dessau (Sachsen-Anhalt, DCGG-Prozess) gegen Ministerialdirektor Willi Brundert und Sozialminister Leo Herwegen wegen angeblicher Sabotage.

Beginn der Waldheimer Prozesse, in denen innerhalb von nur drei Monaten knapp 3.400 Internierte der sowjetischen Speziallager in Schnellverfahren abgeurteilt werden.

Mai

Das „Gesetz der Arbeit“ tritt in Kraft, in dem unter anderem festgelegt wird, dass Frauen weitgehend von der Hausarbeit entlastet und Männern im Arbeitsprozess gleichgestellt werden sollen.

Frankreichs Außenminister Robert Schumann legt einen Plan zur Einrichtung einer westeuropäischen Montanunion vor.

Londoner Konferenz der drei Westmächte über die „Deutschlandfrage“.

Die Sowjetunion erlässt der DDR als Geste des Großmuts die Hälfte der noch zu zahlenden Reparationen. Statt 6,3 Milliarden Dollar werden jetzt nur noch 3,1 Milliarden Dollar verlangt. Die Laufzeit wird bis 1965 festgelegt.

Die SED-Führung lässt alle Telefonverbindungen nach West-Berlin unterbrechen.

Deutschlandtreffen der FDJ in Ost-Berlin. Etwa 500.000 Kinder und Jugendliche kommen zu Massenaufmärschen, Kultur- und Sportveranstaltungen zusammen.

Auf ihrer Rückreise in die Bundesrepublik werden etwa 10.000 westdeutsche Teilnehmer des Deutschlandtreffens der FDJ in Ost-Berlin von westdeutschen Organen aufgehalten. Sie müssen anderthalb Tage an der innerdeutschen Grenze kampieren, um sich registrieren zu lassen.

Juni

Inkrafttreten des Gesetzes der Alliierten Hohen Kommission vom 30. März 1950 zur Verhinderung einer deutschen Wiederaufrüstung.

Die DDR erkennt die Oder-Neiße-Grenze an.

Rechtsverwahrung des Bundestags gegen die Anerkennung der Oder-Neiße-Linie als deutsch-polnische Grenze.

In Paris beginnen die Besprechungen über den Abschluss einer europäischen Montanunion unter Teilnahme Frankreichs, der Benelux-Staaten, Italiens und der Bundesrepublik, aber ohne Großbritannien.

Eine Regierungsdelegation der DDR unterzeichnet mit der Tschechoslowakei ein Abkommen, in dem bestätigt wird, dass beide Staaten keine Ansprüche aneinander haben. Die Aussiedlung von Deutschen nach Ende des Zweiten Weltkriegs wird ausdrücklich als „gerecht“ bezeichnet.

Nordkoreanische Streitkräfte rücken in Südkorea ein: Beginn des Korea-Kriegs.

Juli

Unterzeichnung des Görlitzer Abkommens über die Oder-Neiße-Grenze zwischen Polen und der DDR.

Errichtung eines gemeinsamen Oberkommandos der Vereinten Nationen zur Unterstützung Südkoreas unter dem Oberbefehl des US-Amerikaners General MacArthur.

Die Bundesrepublik wird assoziiertes Mitglied des Europarats.

Gründung des Zentralrats der Juden in Deutschland in Frankfurt am Main. Nach dem Beginn des Korea-Kriegs im Juni beginnt die Bundesrepublik, den Bundesgrenzschutz und Bereitschaftspolizeiverbände der Länder aufzubauen.

Auf dem 3. Parteitag der SED wird in einem Fünf-Jahres-Plan der Aufbau des „planmäßigen Sozialismus'“, eine Annäherung an das stalinistische System der UdSSR und die Auswechslung des Parteivorstands durch das Zentralkomitee der SED beschlossen.

Das Zentralkomitee (ZK) der SED wählt das Politbüro, das Sekretariat des ZKs und die Zentrale Parteikontrollkommission. Vorsitzende werden Wilhelm Pieck und Otto Grotewohl. Generalsekretär des ZKs wird Walter Ulbricht.

August

Verkündung der „Charta der Heimatvertriebenen“ in Stuttgart: In der Charta verzichten die ostdeutschen Landsmannschaften auf Rache und Vergeltung und fordern die Anerkennung des Rechts auf Heimat.

LDPD-Generalsekretär Günter Stempel wird wegen Ablehnung des Wahlgesetzes der DDR verhaftet und zu 25 Jahren Zwangsarbeit verurteilt.

Die Versammlung des Europarats nimmt mit großer Mehrheit Winston Churchills Vorschlag an, eine europäische Armee unter Beteiligung der Bundesrepublik aufzubauen.

Die Regierung der DDR verabschiedet den ersten Fünf-Jahres-Plan, der eine zentrale staatliche Planwirtschaft zur Verdoppelung der Industrieproduktion und Steigerung der Arbeitsproduktivität vorsieht.

Erlass des „Gesetzes über die Notaufnahme von Deutschen in das Bundesgebiet“.

Verhaftung von Leo Bauer, Chefredakteur des Deutschlandsenders. Beginn von „Parteisäuberungen“.

I. Deutscher Nationalkongress der „Nationalen Front“ in Ost-Berlin. Der Staatspräsident der DDR, Wilhelm Pieck, verkündet ein Zwölf-Punkte-Programm des Nationalen Widerstands gegen die Besatzungsmächte in der Bundesrepublik Deutschland.

Die Zeugen Jehovas werden mit einem Erlass des Ministers des Inneren aus der Liste der erlaubten Religionsgemeinschaften gestrichen. 1.000 Männer und Frauen werden verhaftet und verurteilt.

September

DDR-Justizstaatssekretär Dr. Helmut Brandt (CDU) wird wegen Protests gegen die Waldheimer Prozesse verhaftet und später verurteilt. Er wird 1964 von der Bundesrepublik „frei gekauft“.

In Ost-Berlin wird die Ruine des Stadtschlosses gesprengt. Für die SED ist die ehemalige Residenz der Hohenzollern das Symbol für „preußischen Feudalismus und Militarismus“.

Erste Volkszählung in der Bundesrepublik.

Landung der UN-Streitkräfte in Korea.

In Paris gründen die 17 Mitgliedstaaten der OEEC die Europäische Zahlungsunion. In Flushing Meadows bei New York wird die Vollversammlung der Vereinten Nationen eröffnet. Die Delegierten lehnen auf ihrer ersten Sitzung die Aufnahme der Volksrepublik China in die Weltorganisation ab.

Ein Foto aus unbeschwerten Tagen: Klassenfoto der Klasse 10 b der John-Brinkman-Oberschule Güstrow vom 13. Juli 1948 mit dem Klassenlehrer Hannes Wilken. Quelle: Privat-Archiv Peter Moeller

Wegen ihrer Proteste gegen die undemokratischen Volkskammerwahlen werden in Güstrow acht Oberschüler zu Zuchthausstrafen zwischen 5 und 15 Jahren verurteilt.
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Wegen ihrer Proteste gegen die undemokratischen Volkskammerwahlen werden in Güstrow acht Oberschüler zu Zuchthausstrafen zwischen 5 und 15 Jahren verurteilt.

In Schwerin werden der Oberschüler Enno Henke und sieben weitere Schüler wegen „Unterwanderung“ zu hohen Zuchthausstrafen verurteilt.

Aufnahme der DDR in den Osteuropäischen Rat für Gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW/COMECON).

Oktober

In Werder/Havel organisieren junge Menschen im Vorfeld der Volkskammerwahlen aktiven Widerstand. Sie zerreißen SED-Wahlpropaganda, verfassen Texte gegen die Pseudowahlen und verteilen Flugblätter. Einige von ihnen werden verhaftet und von einem Sowjetischen Militär-Tribunal zum Tode verurteilt.

Aus Protest gegen die Haltung der Regierungsmehrheit zur westdeutschen Wiederbewaffnung und gegen den Führungsstil Konrad Adenauers tritt Bundesinnenminister Gustav Heinemann (CDU) zurück.

Aus Protest gegen die kommunistische Herrschaft und für eine Vereinigung Berlins schicken 375.712 Ostberliner ihre Lebensmittelkarten an den West-Berliner Magistrat.

Ihrer Verfassung nach ist die DDR eine föderalistisch organisierte und parlamentarisch regierte Republik, in der es Gewaltenteilung und ein Mehrparteiensystem gibt. Doch die Sitzverteilung in der Volkskammer steht schon vor den eigentlichen Wahlen fest. Die Einheitslisten der Nationalen Front, in der die SED den Ton angibt, können nur insgesamt bestätigt oder abgelehnt werden. Im Bild: ein Wahlplakat zur Volkskammerwahl vom 15. Oktober 1950. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft

„Wahlen“ zur Volkskammer, zu Land-, Kreistagen und Gemeindevertretungen der DDR. 99,7 Prozent der Wähler „votieren“ für die Abgeordneten der Nationalen Front. Zur Abstimmung steht allerdings nur eine Einheitsliste. Es ist nicht möglich, einzelne Abgeordnete zu wählen. Die Ergebnisse dieser Wahlen werden, wie die aller nachfolgenden in der DDR, gefälscht.
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Aufgrund seines Protestes gegen den Wahlbetrug bei der ersten Volkskammerwahl wird der Oberschüler Hermann Josef Flade verhaftet.

Der Bundestag verabschiedet das Versorgungsgesetz für Kriegsopfer, das rückwirkend zum 1. Oktober in Kraft tritt.

Protest der Prager Konferenz der Ostblockstaaten gegen eine westdeutsche Wiederbewaffnung.

In West-Berlin wird von US-Militärgouverneur Lucius Clay die „Freiheitsglocke“ zur Erinnerung an die Luftbrücke eingeweiht.

Der französische Ministerpräsident René Pleven legt in der Nationalversammlung einen Plan für die Aufstellung einer europäischen Armee unter bundesdeutscher Beteiligung vor: den „Pleven-Plan“.

Beschluss der SED zur Überprüfung der Parteibücher. Im ersten Halbjahr 1951 werden alle Mitglieder der SED auf ihre ideologische Zuverlässigkeit überprüft. Die Parteiführung schließt 150.000 Mitglieder aus der Partei aus.

Foto in Roland Budes Studienbuch aus seiner Studentenzeit an der Friedrich-Schiller-Universität Jena (1947). Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft

Roland Bude und sieben weitere Angeklagte werden von einem Sowjetischen Militärtribunal zu zweimal 25 Jahren Zwangsarbeitslager verurteilt. Roland Bude überlebt die eisigen Winter im Lager von Workuta. Sein Vergehen, das ihn dort hingebracht hat: Als gewählter Vertreter im Rostocker Studentenrat hat er sich dafür eingesetzt, dass alle Studenten gleiche Rechte genießen können.
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Roland Bude und sieben weitere Angeklagte werden von einem Sowjetischen Militärtribunal wegen Kontakten zu nach West-Berlin geflohenen Kommilitonen zu zweimal 25 Jahren Zwangsarbeitslager verurteilt.

November

Der tibetische Dalai Lama bittet im Nachbarland Indien um Asyl, nachdem Truppen der Volksrepublik China mit der Besetzung seines Landes begonnen haben.

24 Todesurteile der Waldheimer Prozesse werden vollstreckt.

Unter Vorsitz von Arnold Zweig tagt in Ost-Berlin der erste Deutsche Friedenskongress mit Teilnehmern aus beiden deutschen Staaten. Es werden Richtlinien für den Kampf gegen die Remilitarisierung Westdeutschlands verabschiedet.

Unterzeichnung der Europäischen Konvention der Menschenrechte und Grundfreiheiten in Straßburg.

Auf der konstituierenden Sitzung der Volkskammer werden Gesetze über die Regierung der DDR und die Zusammensetzung der Länderkammer verabschiedet. Am 15. November tritt die neue Regierung (Ministerrat) ihr Amt an. Das Ministerium für Planung wird durch die „Staatliche Planungskommission“ ersetzt.

Der aus der DDR nach West-Berlin geflohene und hier als Journalist tätige Alfred Weiland wird vom sowjetischen Geheimdienst KGB nach Ost-Berlin verschleppt.

Beginn des umfassenden chinesischen Eingreifens in den Korea-Krieg mit anschließendem allgemeinen Rückzug der UN-Truppen.

DDR-Ministerpräsident Otto Grotewohl schlägt der Bundesregierung die Bildung eines „Gesamtdeutschen Konstituierenden Rats“ vor.

Dezember

Das Oberste Gericht verurteilt den früheren thüringischen Finanzminister Leonhard Moog (LDPD) in Abwesenheit sowie weitere Angeklagte wegen „Sabotage“ zu hohen Haftstrafen.

Der Bundestag beschließt Richtlinien zum Abschluss der Entnazifizierung.

Die Volkskammer beschließt das „Gesetz zum Schutz des Friedens“. Strafrechtlich soll verfolgt werden, wer gegen „Teilnehmer am Kampf für den Frieden“ hetzt.

Proklamation des nationalen Notstands in den USA wegen der militärischen Lage in Korea.

Tagung des Nordatlantikrats in Brüssel. Ernennung von General Dwight David Eisenhower zum Obersten Alliierten Befehlshaber in Europa.


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