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Kirche und Opposition

Ein Plakat, das auf der 3. Friedenswerkstatt in der Erlöserkirche in Berlin verkauft wird (8. Juli 1984). Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft
Ein Plakat, das auf der 3. Friedenswerkstatt in der Erlöserkirche in Berlin verkauft wird (8. Juli 1984). Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft
Ein Plakat am Stand des Friedenskreises Friedrichsfelde während der Friedenswerkstatt. Sie findet auf dem Gelände der Berliner Erlöserkirche am 8. Juli 1984 statt. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft
Ein Plakat am Stand des Friedenskreises Friedrichsfelde während der Friedenswerkstatt. Sie findet auf dem Gelände der Berliner Erlöserkirche am 8. Juli 1984 statt. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft

Die Evangelische Kirche bildet in vielerlei Hinsicht die Basis der Oppositionsarbeit in der DDR. Obwohl sie in den 1950er Jahren durch politisch motivierte Repressionen weitgehend entmachtet ist und nach inneren Kämpfen die SED-Diktatur schließlich grundsätzlich anerkennt, bietet die Kirche die einzige vom Staat unabhängige Organisationsstruktur, die landesweit präsent ist.

Hier finden kirchlich gebundene Kreise den nötigen Freiraum, um abseits vom staatlichen Diktat arbeiten, Veranstaltungen organisieren und landesweit kommunizieren zu können. In den beiden kirchlichen Hochschulen der DDR, dem Katechetischen Oberseminar in Naumburg/Saale und dem Berliner Sprachenkonvikt, herrscht ein freigeistiges Klima, wie es Studenten an den dem Marxismus-Leninismus verpflichteten staatlichen Hochschulen nicht kennen.

Verschiedene kirchliche Institute verbreiten Literatur, die in der DDR sonst nicht erscheinen darf. Viele Theologiestudenten und kirchliche Mitarbeiter sind in Oppositionskreisen aktiv und prägen später als aktive Bürgerrechtler die Friedliche Revolution, zum Beispiel Marianne Birthler, Martin Gutzeit, Wolfgang Ullmann oder Walter Schilling.

Vielen jugendlichen Oppositionellen ist die Kirche zu angepasst

Der Spagat zwischen oppositioneller Arbeit und Systemtreue bleibt ein fortdauerndes Problem der Kirchen in der DDR. Die Kirchenleitung, grundsätzlich nicht gegen freiheitliche Bewegungen eingestellt, ist jedoch an einem entspannten Verhältnis zum Staat interessiert. Offene Konflikte, die aus der Arbeit der Oppositionellen im kirchlichen Raum resultieren, versucht die Leitung zu vermeiden. In Einzelfällen werden kirchliche Mitarbeiter gemaßregelt, etwa durch Versetzung. Diese Anpassung an den Staat ist vor allem den jugendlichen Oppositionellen ein Dorn im Auge. Denn deren Aktionen sind gerade auf Provokation und aktiven Widerstand angelegt.

In der vor allem unter jungen Menschen beliebten Offenen Arbeit konzentriert sich das Engagement für jugendliche Außenseiter, die vom Staat als „asozial“ abgestempelt werden. Freidenkende Pfarrer und andere kirchliche Mitarbeiter bilden das Rückgrat der kirchlichen Oppositionsarbeit. Aus diesen Kreisen entsteht vor dem Evangelischen Kirchentag 1987 in Ost-Berlin die Kirche von Unten (KvU). Sie stellt sich bewusst gegen das offizielle Staatsverständnis der Amtskirche.

Christliche Basisdemokratie: Die Kirche von Unten

Die Konflikte innerhalb der Kirche werden durch gezielte Spitzeltätigkeit der Stasi noch angeschürt. Schon in den 1950er Jahren gelingt es dem Ministerium für Staatssicherheit an verschiedenen Stellen, bis in die Leitungsgremien hinein Spitzel einzuschleusen und damit Einfluss auf die Kirchenarbeit zu nehmen. Besonders die Oppositionsgruppen stehen im Fadenkreuz der Stasi. Für die Oppositionskreise bedeutet die ständige Überwachung auch in vermeintlichen Schutzräumen eine schwere, andauernde Belastung, die immer wieder zu großem Misstrauen untereinander führt.

Ab Mitte der 1980er Jahre verstärkt sich der Konflikt zwischen Oppositionsgruppen und Kirchenleitung. Ursache ist die zunehmende Aktivität der Opposition und ihre immer besser funktionierende Vernetzung. Teilweise, wie Anfang 1989 in der Leipziger Nikolaikirche geschehen, werden besonders aktive Oppositionsgruppen auf Druck des Staates sogar aus den Kirchenräumen verwiesen. Doch der Einfluss der angepassten Kirchenfunktionäre schwindet in dem Maße, in dem die Repressalien der DDR-Sicherheitsorgane gegen Oppositionelle zunehmen.

Immer weniger Christen haben Verständnis für den Schmusekurs der Amtskirche gegenüber dem SED-Staat.

In der Revolutionszeit 1989 bilden die Kirchen im ganzen Land die Basislager vieler Demonstrationen. Sie sind außerordentlich wichtige Sammelorte der oppositionellen Bewegung.

Zitierempfehlung: „Kirche und Opposition“, hrsg. v. Bundeszentrale für politische Bildung und Robert-Havemann-Gesellschaft e.V., letzte Änderung Oktober 2017, www.jugendopposition.de/145323

 


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