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Chronik

1972

Januar

1972 verlassen 17.164 Menschen die DDR in Richtung Bundesrepublik.

Erich Honecker bezeichnet die Bundesrepublik erstmals als „imperialistisches Ausland“.

Der Dissident Robert Havemann übt in einem Interview mit der schwedischen Tageszeitung Expressen scharfe Kritik an den Verhältnissen in der DDR.

Es wird offiziell verkündet, dass die „X. Weltfestspiele der Jugend und Studenten“ im August 1973 in Ost-Berlin stattfinden werden.

In Brüssel werden die Beitrittsurkunden Großbritanniens, Norwegens, Dänemarks und Irlands zur Europäischen Gemeinschaft (EG) unterzeichnet.

Der Bundesausschuss der CDU beschließt einstimmig die Ablehnung der Ostverträge.

Februar

In diesem Zeitraum werden alle halb staatlichen und privaten Unternehmen in der DDR verstaatlicht. Darüber hinaus sollen 1.700 Handwerksbetriebe verstaatlicht werden.

In Prag werden über 100 oppositionelle Personen verhaftet.

UNO-Generalsekretär Kurt Waldheim spricht sich für die Aufnahme beider deutschen Staaten in die Vereinten Nationen aus.

FDGB und Verteidigungsministerium vereinbaren, die „sozialistische Wehrerziehung“ in den Betrieben zu intensivieren.

Nach Angaben der Bundesregierung besuchten 1971 ca. 721.000 DDR-Rentner die Bundesrepublik.

Erstmals besucht ein amerikanischer Präsident die Volksrepublik China.

Beginn der Bundestagsdebatten über den Moskauer und Warschauer Vertrag.

März

Laut DDR-Regierung sind Personen, welche nach dem Mauerbau geflüchtet sind, von den Besuchsmöglichkeiten zu Oster und Pfingsten ausgeschlossen.

Bei der Verabschiedung des Gesetzes über die Unterbrechung von Schwangerschaft stimmen 14 Abgeordnete der Volkskammer mit Nein und acht enthalten sich der Stimme. Es sind die ersten und bis zum 18. März 1990 (den ersten freien Wahlen der Volkskammer) einzigen Gegenstimmen.

Zum ersten Mal seit fast sechs Jahren können Westberliner Ost-Berlin besuchen.

April

Auf einer Tanzmusikkonferenz in der DDR werden Jazz und Beat rehabilitiert, nicht aber der Rock 'n' Roll.

Ein konstruktives Misstrauensvotum der CDU/CSU gegen Bundeskanzler Willy Brandt scheitert.

Mai

Die Westalliierten verurteilen die Militärparade in Ost-Berlin.

Eine Serie von Bombenattentaten der Roten Armee Fraktion (RAF) erschüttert die Bundesrepublik. Vier Menschen werden getötet und zahlreiche verletzt.

Selbstverbrennung des katholischen Arbeiters Roman Talanta im litauischen Kaunas aus Protest gegen die Unterdrückung des Katholizismus'.

Der Bundestag beschließt die Ratifizierung des Moskauer und des Warschauer Vertrags.

US-Präsident Richard M. Nixon besucht die Sowjetunion. Unterzeichnung des SALT I-Abkommens zur Begrenzung strategischer Waffen.

Bundespräsident Gustav Heinemann unterzeichnet die Ostverträge.

Egon Bahr und Michael Kohl unterzeichnen in Ost-Berlin den neuen Verkehrsvertrag zwischen beiden deutschen Staaten. Der Vertrag bringt erhebliche Erleichterungen für den innerdeutschen Reiseverkehr.

Juni

In Frankfurt werden die Mitglieder der terroristischen RAF, Andreas Baader, Holger Meins und Jan-Carl Raspe, verhaftet, am 16. Juni auch Ulrike Meinhof in Hannover.

In West-Berlin unterzeichnen die Außenminister der Vier Mächte das Abschlussprotokoll des Vier-Mächte-Abkommens. Damit treten auch der Moskauer Vertrag, der Warschauer Vertrag, das Transitabkommen und andere Vereinbarungen zwischen dem West-Berliner Senat und der DDR in Kraft.

Der Dichter Jossif Brodskij wird aus der Sowjetunion ausgebürgert.

In Ost-Berlin beginnen die ersten Gespräche über einen Grundlagenvertrag zwischen der DDR und der Bundesrepublik.

Der Einbruch in das Wahlkampfhauptquartier der Demokratischen Partei im Watergate-Hotel in Washington führt zur Festnahme von fünf Männern, die für das Komitee zur Wiederwahl des US-Präsidenten Richard M. Nixon arbeiten. Dies ist der Beginn des Watergate-Skandals, der schließlich zum Rücktritt Nixons führt.

Juli

Die Evangelischen Kirchen beklagen die schwierige Situation vieler Christen in der DDR.

DDR-Medien berichten über den erfolgreichen Abschluss der Verstaatlichungskampagne. Danach ist der Anteil der in staatlichen Betrieben produzierten Waren 1972 von 83 Prozent auf 99,4 Prozent gestiegen.

Erster Selbstwähl-Fernsprechdienst von West-Berlin in die DDR.

August

Der US-Senat ratifiziert das im Mai unterzeichnete SALT-Abkommen mit der Sowjetunion zur Begrenzung der strategischen Rüstung.

Der Berliner Senat bezeichnet die Mauer als Symbol der Menschenfeindlichkeit.

Staatssekretäre Michael Kohl und Egon Bahr verhandeln über Grundlagenvertrag zwischen der DDR und der Bundesrepublik.

September

Attentat arabischer Terroristen auf Mitglieder der israelischen Olympiamannschaft in München.

Die Bundesrepublik und Polen beschließen die Aufnahme diplomatischer Beziehungen.

Willy Brandt stellt im Bundestag die Vertrauensfrage. Wie erwartet, wird ihm das Misstrauen ausgesprochen. Damit ist der Weg zu Neuwahlen frei.

Oktober

Amnestie für 32.000 politische und kriminelle Straftäter. Davon werden 2.000 Häftlinge in die Bundesrepublik entlassen.

Die Volkskammer verabschiedet das „Gesetz zur Regelung von Fragen der Staatsbürgerschaft“. Personen, die vor 1972 die DDR verlassen haben, werden aus der Staatsbürgerschaft entlassen, faktisch eine Amnestie. Das gilt ebenfalls für die Nachkommen der Flüchtlinge.

In Ost-Berlin treffen sich erstmals seit dem Abbruch der Interzonenkonferenzen Vertreter des Freien Deutschen Gewerkschaftsbunds und des Deutschen Gewerkschaftsbunds.

Erich Honecker bestreitet die Existenz von Selbstschussanlagen an der innerdeutschen Grenze.

Die Bundesregierung verurteilt die Montage von Selbstschussanlagen an der innerdeutschen Grenze.

November

Die SED fasst einen Beschluss zur Abgrenzung gegen den Sozialdemokratismus und für die Reinheit des Marxismus-Leninismus.

In Bonn paraphieren die Staatssekretäre Egon Bahr (Bundesrepublik) und Michael Kohl (DDR) den Grundlagenvertrag zwischen DDR und Bundesrepublik.

Die Regierungen der USA, Großbritanniens, Frankreichs und der Sowjetunion veröffentlichen eine Erklärung, in der sie sich mit der Aufnahme der beiden deutschen Staaten in die UNO einverstanden erklären. Die Mitgliedschaft dürfe aber nicht die Rechte der Vier Mächte berühren.

Alle Staaten Europas – mit Ausnahme Albaniens – sowie die USA und Kanada beginnen in Helsinki Vorgespräche für eine Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE).

Auf Druck der DDR werden Reisebeschränkungen für Polen eingeführt, die in der DDR einreisen. Sie dürfen nicht mehr als 200 Mark der DDR eintauschen und lediglich pro Person/pro Jahr 7.000 Zloty für Reisen in sozialistische Länder verwenden.

Dezember

In Wien kündigt Simon Wiesenthal, Präsident des Bundes jüdischer Verfolgter des Naziregimes an, dass mit der diplomatischen Anerkennung der DDR nun auch Wiedergutmachungsleistungen von ihr gefordert würden. Eine offizielle Antwort aus Ost-Berlin erhält er nicht. Auch der israelische Außenminister hat 1952 keine Antwort auf entsprechende Forderungen erhalten.

Willy Brandt wird erneut zum Bundeskanzler der Bundesrepublik gewählt.

Unterzeichnung des Grundlagenvertrags zwischen der Bundesrepublik und der DDR zur Einleitung von „gleichberechtigten und guten Beziehungen“.


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