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Chronik

1977

Januar

1977 verlassen 12.078 Menschen die DDR in Richtung Bundesrepublik.

Gründung der Menschenrechtsgruppe „Charta 77“ in der Tschechoslowakei.

An der Universität Jena beantragt die Seminargruppe von Roland Jahn schriftlich seine Exmatrikulierung. Er hatte im November 1976 gegen die Biermann-Ausbürgerung protestiert.

Auf die Ständige Vertretung der DDR in Bonn wird ein Anschlag verübt, der erheblichen Sachschaden anrichtet. In Ost-Berlin beginnen Polizisten DDR-Bürger zu schikanieren, die die Ständige Vertretung der Bundesrepublik besuchen. Nach heftigen Protesten der Bundesregierung werden die Schikanen eingestellt.

Februar

Der Besuchsbeauftragte des Berliner Senats protestiert gegen die Einreiseverbote für 200 Westberliner, die seit Januar die DDR nicht mehr besuchen dürfen.

Wegen seines Protestes gegen die Ausbürgerung von Wolf Biermann wird Roland Jahn von der Jenaer Universität exmatrikuliert.

März

Die Sekretäre für internationale und ideologische Fragen der kommunistischen Parteien Osteuropas betonen auf einer Beratung in Sofia die „Notwendigkeit der entschiedenen Entlarvung des Antikommunismus“ angesichts der Menschenrechtskampagnen des Westens.

Detlef Pump verweigert den Wehrdienst aus politischen Gründen und wird für zwei Jahre inhaftiert. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft/Hans-Helmut Kurz

Der 24-jährige Betriebsschlosser Detlef Pump verweigert wie ungefähr 6.000 andere junge Wehrpflichtige den Dienst in der Nationalen Volksarmee. Die sogenannten Totalverweigerer werden als kriminelle verfolgt und müssen fortan unter den Repressionen der staatlichen Institutionen leiden.
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April

Generalbundesanwalt Siegfried Buback und sein Fahrer werden auf offener Straße vom „Kommando Ulrike Meinhof“ der Rote Armee Fraktion (RAF) erschossen.

Im Stammheimer Prozess werden die Urteile über Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Jan Carl Raspe gesprochen. Alle drei werden zu lebenslanger Haft verurteilt.

Mai

Matthias Domaschk, aktives Mitglied der Jungen Gemeinde Jena, wird ebenso wie sein Mitschüler Manfred Hildebrandt kurz vor dem mündlichen Abitur von der Schule ausgeschlossen. Beide hatten gegen die Biermann Ausbürgerung protestiert.

Die Tschechoslowakische Staatssicherheit räumt die Wohnung des Schriftstellers Pavel Kohout.

US-Präsident Jimmy Carter entwickelt in einer Rede die Grundsätze künftiger US-Außenpolitik. Am 1. Juni unterzeichnet er die „Amerikanische Menschenrechtskommission“.

Juni

Religiöse Aktivitäten werden im kommunistischen Albanien unter Todesstrafe gestellt.

Gründung des Brüsewitz-Informations- und Dokumentationszentrum in Bad Oeynhausen – zur Erinnerung an den DDR-Pfarrer, der sich 1976 verbrannte.

Der Schauspieler Manfred Krug siedelt mit seiner Familie in die Bundesrepublik über. Infolge seiner Kritik an der Biermann-Ausbürgerung hatte er unter massiven staatlichen Repressalien zu leiden.

Juli

„Kaffee-Krise“: Um Devisen zu sparen, kommt der mit Malz-Kaffee gestreckte „Kaffee-Mix“ in die Läden. Es hagelt Proteste aus der Bevölkerung, die dieses Getränk bald als „Erichs Krönung“ bezeichnet.

Die RAF-Terroristen Christian Klar, Brigitte Mohnhaupt und Susanne Albrecht erschießen den Chef der Dresdner Bank, Jürgen Ponto.

August

US-Präsident Jimmy Carter gibt Gelder für die Entwicklung der „Neutronenbombe“ frei. Die Sowjetunion erhebt heftige Proteste. Im April 1978 macht Jimmy Carter die Entscheidung über den Bau der neuen Waffe vom Verhalten der Sowjetunion in der Abrüstung abhängig.

Rudolf Bahros regimekritisches Buch „Die Alternative“ wird in der Bundesrepublik veröffentlicht. Er wird vom Ministerium für Staatssicherheit festgenommen und am 30. Juni 1978 zu acht Jahren Haft verurteilt. Am 11. Oktober 1979 wird er aus dem Gefängnis entlassen und reist in den Westen aus.

Christian Kunert, Gerulf Pannach und Jürgen Fuchs nach ihrer Ausbürgerung aus der DDR zusammen mit Wolf Biermann in West-Berlin. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft/Johanna Guschlbauer

Der Schriftsteller Jürgen Fuchs sowie die Musiker Christian Kunert und Gerulf Pannach, die Ende 1976 von der Staatssicherheit wegen Protesten gegen die Ausbürgerung Biermanns verhaftet worden waren, werden entlassen und nach West-Berlin abgeschoben.
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September

Die RAF entführt den Präsidenten der Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände, Hanns Martin Schleyer. Dabei erschießt sie seine drei Leibwächter. Die Entführer fordern die Freilassung der elf inhaftierten RAF-Mitglieder. Die Bundesrepublik gerät an den Rand eines Ausnahmezustands. Zur Unterstützung der Forderungen entführt ein Palästinenser-Kommando das Lufthansa-Passagierflugzeug „Landshut“. Die Bundesregierung gibt die RAF-Gefangenen nicht frei.

Ehemalige SED-Mitglieder gründen den „Bund Deutscher Kommunisten“ und veröffentlichen ein anonymes Manifest im Spiegel.

Der südafrikanische Schwarzen-Führer Stephen Biko stirbt an den Folgen von Misshandlungen durch die Polizei.

Das Ministerium für Staatssicherheit verhaftet die 17-jährige Dagmar Dimitroff: Sie hat selbst gemalte Bilder ohne Genehmigung auf einem Pankower Flohmarkt ausgestellt. Außerdem setzt sie sich für Wolf Biermann ein. Nach zehn Monaten Haft wird sie nach West-Berlin entlassen.

Das Komitee zur Verteidigung der Arbeiter in Polen wandelt sich in das Komitee für gesellschaftliche Selbstverteidigung um.

Oktober

Eröffnung der KSZE-Folgekonferenz in Belgrad.

Im Anschluss an ein Rock-Konzert am Nationalfeiertag kommt es auf dem Berliner Alexanderplatz zu Auseinandersetzungen zwischen Jugendlichen und der Polizei.

Eine Antiterror-Spezialeinheit (GSG 9) des Bundesgrenzschutzes stürmt die entführte Maschine in der somalischen Hauptstadt Mogadischu und befreit die Geiseln. Am selben Tag werden die RAF-Terroristen Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Jan-Carl Raspe tot in ihren Gefängniszellen gefunden. Ihre Mitgefangene Irmgard Möller ist schwer verletzt.

Die RAF gibt die Ermordung von Hanns Martin Schleyer bekannt; seine Leiche wird noch am selben Tag in Mühlhausen in Frankreich gefunden.

Dezember

Der Schriftsteller Hans Joachim Schädlich verlässt nach Repressalien infolge seiner Kritik an der Biermann-Ausbürgerung die DDR.

Doris Liebermann im Mai 1975. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft/Hans-Helmut Kurz

Im November 1976 tippt Doris Liebermann den Protesttext der Petition gegen die Ausbürgerung Wolf Biermanns auf Ihrer Schreibmaschine ab. Schon am nächsten Morgen wird sie von der Stasi verhaftet. Was folgt sind endlose Verhöre und Denunziationen bis sie am 17. Dezember 1977, ihrem 24. Geburtstag, die DDR verlassen muss.
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Die DDR und die UdSSR unterzeichnen das Abkommen für den gegenseitigen Warenaustausch für 1978: Er soll auf 7,3 Milliarden Rubel steigen.

Im Spiegel wird ein Manifest von einem „Bund Demokratischer Kommunisten Deutschlands“ aus der DDR publiziert.


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