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Chronik

1982

Januar

1982 verlassen 13.208 Menschen die DDR in Richtung Bundesrepublik.

Der Appell „Frieden schaffen ohne Waffen“ des SED-Dissidenten Robert Havemann und des Pfarrers Rainer Eppelmann wird veröffentlicht. Rainer Eppelmann wird daraufhin kurzzeitig verhaftet.

Februar

Bundeskanzler Helmut Schmidt stellt im Bundestag die Vertrauensfrage. Alle SPD/FDP-Abgeordneten stimmen für, alle CDU/CSU-Abgeordneten gegen Helmut Schmidt.

Das DDR-Innenministerium erweitert den Katalog „dringender Familienangelegenheiten“ für Reisen von DDR-Bürgern in die Bundesrepublik.

Mitglieder der Gruppe Wolfspelz nehmen im Mai 1983 an einem Friedensseminar in Meißen teil. In der Bildmitte Johanna Kalex, rechts neben ihr Katrin Schaller 2. v. l. Roman Kalex. Quelle: Privatarchiv Johanna Kalex

Mitglieder der Dresdner Gruppe Wolfspelz, rufen am Jahrestag der Bombardierung der Stadt Dresden zu einer Friedensdemonstration an der Ruine der Dresdener Frauenkirche auf. Trotz des gleichzeitig von der Kirchenleitung organisierten Friedensforums in der Kreuzkirche folgen rund 8.000 Menschen ihrem Aufruf. Auch danach bleibt die Gruppe um Johanna Kalex eine der aktivsten in der DDR-Opposition.
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Johanna Kalex Mitte der 1980er Jahre. Quelle: Privatarchiv

Die 18-jährige Johanna Kalex ist Hauptinitiatorin der Friedensdemonstration an der Ruine der Dresdner Frauenkirche. Sie wird noch vor der geplanten Demonstration festgenommen und unter massivem Druck verhört. Man droht ihr mit elf Jahren Haft.
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Friedensforum unabhängiger Friedensgruppen in der Kreuzkirche in Dresden

In Paris vereinbaren Bundeskanzler Helmut Schmidt und der französische Staatspräsident Francois Mitterrand, die sicherheitspolitische Zusammenarbeit gemäß der Bestimmungen des deutsch-französischen Vertrags von 1963 zu beleben.

März

Palästinenser-Führer Jassir Arafat wird in Ost-Berlin mit den protokollarischen Ehren eines Staatsoberhauptes empfangen. Gleichzeitig wird die palästinensische Vertretung in der DDR zur Botschaft ernannt.

In Ost-Berlin treffen erstmals Abgeordnete von Volkskammer und Bundestag offiziell zusammen. In Leipzig treffen sich während der Messe Bundeswirtschaftsminister Otto Graf Lambsdorff und der Leiter der DDR-Wirtschaftskommission, Günter Mittag, zu informellen Gesprächen.

Die Volkskammer beschließt ein neues Wehrdienstgesetz. Wehrpflicht und Wehrdienst schließen jetzt auch Frauen ein. Vorbereitung zum Wehrdienst wird ausdrücklich Bestandteil von Bildung und Erziehung. Die Volkskammer beschließt auch ein Grenzgesetz.

Der polnische Staatschef Wojciech Jaruselzki trifft zu einem Besuch in der DDR ein. Um die materielle Not in Polen zu lindern, werden sowohl in der DDR als auch in der Bundesrepublik Hilfsaktionen gestartet. Viele verschicken privat Lebensmittelpakete.

April

Beginn des Falkland-Kriegs zwischen Argentinien und England, nachdem argentinische Truppen die zu Großbritannien gehörende Insel besetzen. Der Krieg endet am 20. Juni mit einer Niederlage Argentiniens.

Robert Havemann stirbt in Berlin-Grünheide. Die Beerdigung findet am 17. April 1982 statt.

8. Synode der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg konstatiert ein belastetes Verhältnis zwischen Kirche und Staat wegen Reaktionen des Staats auf kirchliche Friedensinitiativen.

Porträtbild von Peter Grimm. Bilder wie dieses sollten im Falle einer Verhaftung eines der Mitglieder der Initiative Frieden und Menschenrechte für die Öffentlichkeitsarbeit verwendet werden. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft

Beerdigung von Robert Havemann in Grünheide. Einer der Gäste, der von der Staatssicherheit massiv überwachten Beerdigung ist Peter Grimm. Das spätere Mitglied der Initiative Frieden und Menschenrechte macht Bekanntschaft mit den beiden Oppositionellen Ralf Hirsch und Werner Fischer. Wenig später versucht ihn die Stasi als Spitzel anzuwerben.
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Quelle: Thüringische Landeszeitung, 18. April 1982

Zum ersten Todestag von Matthias Domaschk gelingt es seinen Freunden eine Anzeige in der Thüringischen Landeszeitung und im regionalen SED-Blatt Volkswacht zu platzieren, um an seinen Tod zu erinnern. Zusätzlich kleben platzieren sie die Anzeige an öffentlichen Plätzen. Die Botschaft ist klar: Matthias Domaschks Tod wird nicht vergessen werden.
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Mit diesem Flugblatt protestieren Jugendliche aus Berlin und Dresden 1982 gegen ein verschärftes Wehrdienstgesetz. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft

In der Nacht zum 23. April tauchen in Dresden und Ost-Berlin Flugblätter auf, die einer „Volksdiskussion über das neue Wehrdienstgesetz!“ fordern. An der Aktion sind etwa 15 Personen beteiligt unter ihnen Tom Sello und Thomas Vetter. Trotz größter Bemühungen kann die Stasi die „Schuldigen“ bis zuletzt nicht ausfindig machen.
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In West-Berlin kommt es im Anschluss an die Räumung eines besetzten Hauses durch die Polizei zu Krawallen. Dabei werden unter anderem kleinere Brände gelegt und Schaufensterscheiben eingeworfen. Die Polizei geht mit Tränengas und Schlagstöcken gegen die Täter vor.

Mai

Durch massive Drohung und Verfolgung wird in Dresden die Teilnahme unabhängiger Demonstranten an der 1.-Mai-Demonstration verhindert.

Neuer Ständiger Vertreter der Bundesrepublik in Ost-Berlin wird als Nachfolger von Klaus Bölling Hans-Otto Bräutigam.

Juni

Israelische Truppen marschieren im Libanon ein und erzwingen den Abzug von circa 11.000 Kämpfern der Palästinensischen Befreiungsbewegung PLO.

US-Präsident Ronald Reagan besucht die Bundesrepublik und West-Berlin. In Bonn trifft er mit den Staatschefs der NATO-Staaten zusammen. In Bonn und West-Berlin kommt es zu großen, teilweise gewalttätigen Demonstrationen.

In Bonn findet ein NATO-Gipfeltreffen statt. In der Stadt demonstrieren rund 400.000 bis 500.000 Menschen für den Frieden. Auf der Demonstration redet der 1977 aus der DDR ausgewiesene Schriftsteller Jürgen Fuchs über die Ziele der ost- und westdeutschen Friedensbewegung.

Die DDR garantiert Straffreiheit für DDR-Flüchtlinge vor 1980. Zwischen der DDR und der Bundesrepublik wird folgende Vereinbarung getroffen: Der zinslose Überziehungskredit (Swing) der DDR soll schrittweise von 850 Millionen auf 600 Millionen Verrechnungseinheiten bis 1985 reduziert werden.

Ein Plakat, das auf der 3. Friedenswerkstatt in der Erlöserkirche in Berlin verkauft wird (8. Juli 1984). Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft

Erste Friedenswerkstatt in der Berliner Erlöserkirche unter dem Motto „Hände für den Frieden“ mit 3.000 Teilnehmern. Die Evangelische Kirche ist die Basis für viele Aktionen der Opposition. Es gibt aber immer wieder auch Ärger zwischen unangepassten Jugendlichen und der staatshörigen Kirchenleitung.
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Die Verhandlungen über die Reduzierung strategischer Waffen (Strategic Arms Reduction Talks/START) zwischen den USA und der UdSSR werden in Genf eröffnet.

Juli

Jugendliche organisieren die erste Fahrraddemo durch die Ostberliner Innenstadt, um auf die zunehmende Umweltzerstörung und Luftverschmutzung in der DDR hinzuweisen.

Die UdSSR stationiert die ersten nuklearen Kurzstreckenraketen SS 20 in der DDR.

August

Ein Ostberliner Jugendlicher mit Friedensaufnäher muss ein Ordnungsgeld von 150 DDR-Mark zahlen, weil er damit das Moralempfinden der Bürger des sozialistischen Staats verletzt habe.

September

Erste Friedensgebete in der Leipziger Nikolaikirche.

Bundeskanzler Helmut Schmidt kündigt die Koalition mit der FDP auf, deren vier Minister, Hans-Dietrich Genscher, Gerhart Baum, Otto Graf Lambsdorff und Josef Ertl aus dem Kabinett Schmidt austreten. Dieser bildet eine SPD-Minderheitsregierung und schlägt vorgezogene Neuwahlen vor.

In den besetzten Häusern der Hamburger Hafenstraße kommt es zu ersten Wohnungsdurchsuchungen und Festnahmen. Wenige Wochen später, am 28. Oktober, demonstrieren die Hausbesetzer gegen die Räumung.

Die DDR und die Bundesrepublik schließen ein Abkommen über den Gewässerschutz in Berliner Flüssen und Seen ab.

Oktober

Regierungswechsel in der Bundesrepublik: Helmut Kohl wird nach einem konstruktiven Misstrauensvotum im Deutschen Bundestag neuer Bundeskanzler.

Verbot der 1980 gegründeten oppositionellen Gewerkschaftsbewegung Solidarnosc durch ein neues polnisches Gewerkschaftsgesetz.

Treffen der deutsch-sowjetischen Wirtschaftskommission in Bonn.

Frauen für den Frieden protestieren gegen die Wehrpflicht für Frauen in der DDR

November

Der sowjetische Staats- und Parteichef Leonid Breshnew stirbt in Moskau. Am Rande der Trauerfeierlichkeiten in Moskau treffen sich der Bundespräsident Karl Carstens und der DDR-Staatsratsvorsitzende Erich Honecker.

Die Polizei verhaftet Brigitte Monhaupt, Adelheid Schulz und Christian Klar. Das Bundeskriminalamt glaubt, dass damit die führenden Köpfe der verbliebenen RAF gefasst sind. In der Folgezeit werden im gesamten Bundesgebiet Waffenlager der RAF entdeckt.

Der langjährige Chef des sowjetischen Geheimdienstes Juri Andropow wird Generalsekretär des Zentralkomitees der KPdSU. Der Vorsitzende der verbotenen polnischen Gewerkschaft Solidarnosc, Lech Walesa, wird nach elf-monatiger Haft frei gelassen.

Eine Minute Schweigen für den Weltfrieden: Menschenkette auf dem Platz der Kosmonauten am 14. November 1982 in Jena. Quelle: BStU, MfS, BV Gera, Abt. VIII, BB 101/82, Mappe 2

Am 14. November 1982 organisieren Jenenser Friedensaktivisten auf dem Jenaer Platz der Kosmonauten eine Schweigedemonstration für den Frieden, die gleichzeitig auch eine Demonstration für die inhaftierten Freunde Manfred Hildebrandt, Roland Jahn und Ingo Güther ist. Trotz Stasi-Präsenz versammeln sich etwa 80 Menschen mit Plakaten. Die Kundgebung ist die erste öffentliche Aktion der Friedensgemeinschaft Jena.
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Die Transit-Autobahn Berlin-Hamburg wird frei gegeben.

Dezember

Der Bundestag ordnet die Kriegsdienstverweigerung neu. Die mündliche Gewissensprüfung wird durch eine schriftliche Erklärung ersetzt.

In einer verfassungsrechtlich bedenklichen Abstimmung verweigert der Deutsche Bundestag Bundeskanzler Helmut Kohl, gemäß vorheriger Absprache innerhalb der Koalition, das Vertrauen. Damit wird der Weg zu Neuwahlen am 6. März 1983 geebnet.

Friedensaktivisten versuchen in Jena erneut einen Schweigemarsch zu organisieren. Die Demonstration wird von Sicherheitskräften zerschlagen.

Der Kriegszustand in Polen wird ausgesetzt.


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