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Die Junge Gemeinde

In der kommunistischen Gesellschaft stehen nur die Kirchen den allumfassenden Herrschaftsansprüchen der Partei als Institutionen entgegen. Deshalb gibt es in der Geschichte der DDR immer wieder Verfolgungskampagnen. Vor allem die kirchliche Jugendarbeit...
In der kommunistischen Gesellschaft stehen nur die Kirchen den allumfassenden Herrschaftsansprüchen der Partei als Institutionen entgegen. Deshalb gibt es in der Geschichte der DDR immer wieder Verfolgungskampagnen. Vor allem die kirchliche Jugendarbeit ist den Kommunisten ein Dorn im Auge. Das Bild zeigt ein Treffen einer Jungen Gemeinde bei Zwenkau in Sachsen. Quelle: Zeitgeschichtliches Forum Leipzig
Die Träger des Kugelkreuzes gelten als Staatsfeinde: 1952/53 entfesselt die SED einen regelrechten Kirchenkampf. Im Zentrum der Angriffe steht die evangelische Jugendarbeit mit ihrer Jungen Gemeinde, die als „staatsfeindliche Organisation“ diffamiert...
Die Träger des Kugelkreuzes gelten als Staatsfeinde: 1952/53 entfesselt die SED einen regelrechten Kirchenkampf. Im Zentrum der Angriffe steht die evangelische Jugendarbeit mit ihrer Jungen Gemeinde, die als „staatsfeindliche Organisation“ diffamiert wird. Das Kugelkreuz wird verboten. Trotzdem tragen es Tausende weiterhin. Im Bild: Achim Beyer 1951. Er trägt das Abzeichen der Jungen Gemeinde über dem FDJ-Abzeichen. Quelle: Privat-Archiv Achim Beyer
Zu Beginn der 1950er Jahre sind über 125.000 junge Menschen in den Jungen Gemeinden der Evangelischen Kirche organisiert. Im Bild: Leipziger Christen mit ihrem Pfarrer Heinrich Wallmann bei einem Ausflug nach Quedlinburg. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft
Zu Beginn der 1950er Jahre sind über 125.000 junge Menschen in den Jungen Gemeinden der Evangelischen Kirche organisiert. Im Bild: Leipziger Christen mit ihrem Pfarrer Heinrich Wallmann bei einem Ausflug nach Quedlinburg. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft
Luther gegen Darwin: Bei der Überprüfung von 153 Oberschulen in der SBZ fallen die Mitglieder der Jungen Gemeinde an der Werdauer Oberschule besonders auf. Ihr Glauben äußert sich in Diskussionsbeiträgen und Schulaufsätzen. Doch die SED will keinen...
Luther gegen Darwin: Bei der Überprüfung von 153 Oberschulen in der SBZ fallen die Mitglieder der Jungen Gemeinde an der Werdauer Oberschule besonders auf. Ihr Glauben äußert sich in Diskussionsbeiträgen und Schulaufsätzen. Doch die SED will keinen göttlichen Schöpfer akzeptieren: „Ein Zug starker Frömmigkeit geht durch einen Großteil der Schüler […].“ Quelle: Privat-Archiv Achim Beyer
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Ein Symbol für die deutsche Einheit trotz der Spaltung: Vom 7. bis 11. Juli 1954 findet der 6. Deutsche Evangelische Kirchentag erstmals in der DDR statt. Ein kritischer Zeitpunkt, denn er liegt zwischen dem Kirchenkampf 1952/53 und den scharfen Angriffen...
Ein Symbol für die deutsche Einheit trotz der Spaltung: Vom 7. bis 11. Juli 1954 findet der 6. Deutsche Evangelische Kirchentag erstmals in der DDR statt. Ein kritischer Zeitpunkt, denn er liegt zwischen dem Kirchenkampf 1952/53 und den scharfen Angriffen ab 1956. Die Veranstaltung in Leipzig genehmigt die DDR-Regierung erst drei Monate zuvor. Mit 650.000 Teilnehmern bei der Hauptversammlung ist der gesamtdeutsche Kirchentag ein großer Erfolg. In der Bildmitte zu sehen: 8. v. r. Otto Nuschke (stellv. DDR-Ministerpräsident, CDU-Vors.), 10. v .r. Bischof Otto Dibelius (mit Hut), 4. v. r. Gerald Götting (Generalsekr. Ost-CDU, Vors. ab 1966). Quelle: Bundesarchiv/183-25414-0111

In Ostdeutschland finden sich seit 1945 junge Christen zusammen. Bei der Jungen Gemeinde handelt es sich nicht um eine Organisation, sondern um eine Form der evangelischen Gemeindearbeit. Denn eine eigenständige christliche Jugendorganisation würde in der sowjetischen Besatzungszone und in der DDR nicht zugelassen. Die SED verweist immer wieder darauf, dass die Jugendorganisation FDJ keine atheistische Organisation sei und jungen Christen offenstehe. Für Frieden und Völkerfreundschaft könnten junge Christen auch innerhalb der FDJ wirken.

In den Augen der Kommunisten ist Religion eine Erfindung der Ausbeuterklassen, um die unterdrückten Massen auf das Jenseits zu vertrösten und sie so vom Klassenkampf abzuhalten. Mit dem Sozialismus soll diese Form des „falschen Bewusstseins“ allmählich verschwinden. Doch nach 1945 duldet die sowjetische Besatzungsmacht zunächst die Kirchenarbeit und bemüht sich, die Christen für die „antifaschistisch-demokratische Ordnung“ zu gewinnen. Erst 1948 beginnen die Versuche, die Kirche aus der Gesellschaft zu verdrängen.

Die Jungen Gemeinden haben eine Zeitschrift, Die Stafette, und ein Abzeichen – eine Weltkugel mit Kreuz. Obwohl es kein gesetzliches Verbot gibt, kommt es immer wieder zu Auseinandersetzungen in Schulen und anderen Bildungseinrichtungen. Häufig verbieten Schulleiter den jungen Christen, ihr Abzeichen zu tragen. In den kirchlichen Räumen wird die Junge Gemeinde dagegen nicht behindert. Sie feiert Kinder- und Jugendgottesdienste, bietet Lebenshilfe an, veranstaltet Lesungen, macht Musik und Kunst.

Die Sowjetunion hofft, die Kirche in den Kampf gegen die Wiederaufrüstung im Westen einbinden zu können, und so folgt nach 1950 eine Phase der relativen Duldung der Jungen Gemeinde. Doch mit der verschärften Stalinisierung der DDR setzen im Frühjahr 1952 wieder heftige Angriffe gegen die Junge Gemeinde ein.

Wie Jesus Christus zum Staatsfeind wird

Anfang 1953 verabschiedet das Politbüro einen „Plan für die Entlarvung der Jungen Gemeinden als Tarnorganisation für Kriegshetze, Sabotage und Spionage, die von westdeutschen und amerikanischen imperialistischen Kräften dirigiert wird“. Hauptverantwortlich umsetzen soll den Plan Erich Honecker, zu diesem Zeitpunkt Vorsitzender der FDJ.

Extrablatt gegen die Junge Gemeinde: Die Junge Welt, das Zentralorgan der FDJ, veröffentlicht im April 1953 eine Propaganda-Ausgabe. Im DDR-Samisdat wird dieses Extrablatt in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre einmal als Deckblatt verwendet („Glasnot“)....
Extrablatt gegen die Junge Gemeinde: Die Junge Welt, das Zentralorgan der FDJ, veröffentlicht im April 1953 eine Propaganda-Ausgabe. Im DDR-Samisdat wird dieses Extrablatt in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre einmal als Deckblatt verwendet („Glasnot“). Quelle: Junge Welt, April 1953
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Extrablatt gegen die Junge Gemeinde: Die Junge Welt, das Zentralorgan der FDJ, veröffentlicht im April 1953 eine Propaganda-Ausgabe. Im DDR-Samisdat wird dieses Extrablatt in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre einmal als Deckblatt verwendet („Glasnot“)....
Extrablatt gegen die Junge Gemeinde: Die Junge Welt, das Zentralorgan der FDJ, veröffentlicht im April 1953 eine Propaganda-Ausgabe. Im DDR-Samisdat wird dieses Extrablatt in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre einmal als Deckblatt verwendet („Glasnot“). Quelle: Junge Welt, April 1953
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Am 1. April 1953 veröffentlicht die Zeitung der FDJ, die Junge Welt, eine Sondernummer voller Hetze gegen die Junge Gemeinde. Die Stafette wird eingestellt. Offizielle Begründung: Papiermangel. An den Schulen finden Veranstaltungen statt, auf denen das angeblich ungute Treiben der Jungen Gemeinde enthüllt werden soll. Wer sich weigert, aus der Jungen Gemeinde auszutreten, wird kurzerhand von der Oberschule oder Universität verwiesen.

Die evangelischen Bischöfe wenden sich am 9. April 1953 Hilfe suchend an die sowjetische Besatzungsmacht – zunächst ohne Erfolg. Erst am 10. Juni 1953 nimmt die SED auf Weisung Moskaus die Restriktionen gegen die Kirchen zurück (Neuer Kurs). Nach einem Treffen zwischen Ministerpräsident Otto Grotewohl und Bischof Otto Dibelius veröffentlicht die Regierung eine Verlautbarung, nach der alle zuvor erteilten Verweise von Schülern und Studenten rückgängig gemacht werden sollen.

In der Bevölkerung wird der nach Stalins Tod neu eingeschlagene Kurs vielfach als Schwäche angesehen. Es gibt weitere dringliche Forderungen nach politischen und gesellschaftlichen Veränderungen.

Dann überschlagen sich die Ereignisse: Am 17. Juni 1953 erhebt sich das Volk gegen die SED-Herrschaft. Der Aufstand, an dem sich auch viele Christen und Theologen beteiligen, scheitert. Die mit dem 10. Juni gerade erst geweckten Hoffnungen auf eine Liberalisierung ersticken im Keim. Zwar sucht die SED danach nie wieder so massiv die öffentliche Konfrontation, doch entwickelt sie schnell neue Strategien zur Bekämpfung ihrer Kritiker und Gegner. Insgesamt setzt die Partei auf stille und langfristig wirkende Benachteiligungen der Christen in Ausbildung und Beruf.

Zitierempfehlung: „Die Junge Gemeinde“, hrsg. v. Bundeszentrale für politische Bildung und Robert-Havemann-Gesellschaft e.V., letzte Änderung Dezember 2019, www.jugendopposition.de/145421

 


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