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Widerstand in Jena

Sie haben die Schnauze voll: Sechs junge Arbeiter aus Jena werden gegen das SED-Regime aktiv. Am 8. Dezember 1962 malen sie diese Parolen an die Wände einer Bahnunterführung und eines Hauses in Jena. Quelle: BStU, MfS, Ast Gera AUV 1862/63 GA/HA Bd....
Sie haben die Schnauze voll: Sechs junge Arbeiter aus Jena werden gegen das SED-Regime aktiv. Am 8. Dezember 1962 malen sie diese Parolen an die Wände einer Bahnunterführung und eines Hauses in Jena. Quelle: BStU, MfS, Ast Gera AUV 1862/63 GA/HA Bd. VI, S.101
Appell an die Jenaer: Mit dieser Druckvorrichtung, die aus handelsüblichen Kinderstempelkästen hergestellt wird, drucken die Jugendlichen ihre Flugblätter. Quelle: BStU, MfS, Ast Gera AUV 1862/63 GA/HA Bd. VI, S.33
Appell an die Jenaer: Mit dieser Druckvorrichtung, die aus handelsüblichen Kinderstempelkästen hergestellt wird, drucken die Jugendlichen ihre Flugblätter. Quelle: BStU, MfS, Ast Gera AUV 1862/63 GA/HA Bd. VI, S.33
Nachdem sie bereits 3.500 Flugblätter hergestellt haben, werden die sechs jungen Männer am 11. Februar 1963 vom MfS verhaftet. Quelle: BStU, MfS, Ast Gera AUV 1862/63 GA/HA Bd. VI, S.35
Nachdem sie bereits 3.500 Flugblätter hergestellt haben, werden die sechs jungen Männer am 11. Februar 1963 vom MfS verhaftet. Quelle: BStU, MfS, Ast Gera AUV 1862/63 GA/HA Bd. VI, S.35
Hier die vom MfS beschlagnahmten Flugblätter. Quelle: BStU, MfS, Ast Gera AUV 1862/63 GA/HA Bd. VI, S.34
Hier die vom MfS beschlagnahmten Flugblätter. Quelle: BStU, MfS, Ast Gera AUV 1862/63 GA/HA Bd. VI, S.34

Nach dem Mauerbau ist die Stimmung in der DDR gedrückt. Die Bürger nehmen enttäuscht zur Kenntnis, dass der Westen nichts gegen die Grenzziehung unternimmt. Die meisten Menschen richten sich nach und nach darauf ein, dass die Mauer für längere Zeit stehen bleiben wird. Es wird viel gemeckert, besonders über die schlechte Lebensmittelversorgung. Widerspruch oder gar Widerstand halten die meisten derzeit für zu gefährlich. Doch einige Jugendliche lassen sich den Mund nicht verbieten. Sie treibt die resignative Stimmung zu tollkühnen Aktionen.

Sechs junge Arbeiter aus Jena schließen sich zusammen und planen, sich zu widersetzen: Am 8. Dezember 1962 malen sie Parolen an die Wände einer Bahnunterführung und eines Hauses. Am nächsten Morgen können die zur Arbeit eilenden Leute lesen: „Weg mit Ulbricht – gebt uns Freiheit“ und „Gebt uns was zum Fressen“. Das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) schaltet sich ein, und nach der Spurensicherung übermalt die Volkspolizei die Losungen.

Als Nächstes heckt die Jenaer Gruppe eine Flugblattaktion aus. Um ihre Spuren zu verwischen, besorgen sich die Aktionisten in verschiedenen Städten Papier, Kinderstempelkästen und Stempelfarbe. Dann entwerfen sie folgenden Text:

„Einwohner Jenas! Wie lange wollt ihr Euch noch die katastrophale Ausbeutung der Ostzonen-Politik gefallen lassen? Erhöhte Normen, niedrige Löhne, militärische Ausbildungen, unzureichende Lebensmittel u. hoher politischer Druck, das sind die Errungenschaften u. Ziele der Ostblockpolitik. Verteidigt Euch gegen diesen Wahn. Denkt daran: ‚Einigkeit macht stark!` Die starke Rüstung u. kostspielige Grenzüberwachung macht die Staatskasse leer. Die Euch gefangen halten, nehmen euch Freiheit, Wohlstand und freie Wahlen!“

Noch während der Vorbereitungen zur Flugblattaktion plaudert ein Gruppenmitglied gegenüber einem Stasi-Spitzel. Daraufhin beauftragt das MfS einen Inoffiziellen Mitarbeiter, die Gruppe anzusprechen. Dieser gibt sich als Bundesbürger aus, der im Auftrag einer westlichen Organisation als „Agitator für die Wiedervereinigung Deutschlands“ illegal in der DDR tätig sei. Die Jenaer Gruppe geht dem Lockvogel auf den Leim und weiht ihn in all ihre Pläne ein.

Nachdem bereits 3.500 Flugblätter hergestellt sind, werden die sechs jungen Männer am 11. Februar 1963 festgenommen. Während des Gerichtsprozesses wird die Fiktion aufrechterhalten, der Agent Provocateur der Stasi sei ein echter Agent gewesen. Der Kontakt zu dem vermeintlichen Spion fällt bei der Verurteilung strafverschärfend ins Gewicht: Die sechs Jugendlichen werden zu Strafen von einem Jahr Freiheitsentzug bis zu fünf Jahren und sechs Monaten Zuchthaus verurteilt.

Zitierempfehlung: „Widerstand in Jena“, hrsg. v. Bundeszentrale für politische Bildung und Robert-Havemann-Gesellschaft e.V., letzte Änderung Dezember 2019, www.jugendopposition.de/145453


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