d

Chronik

1955

Januar

1955 verlassen 252.870 Menschen die DDR in Richtung Bundesrepublik.

Der Ostberliner Magistrat beschließt, dass West-Berliner und Westdeutsche ab dem 10. Januar in allen Gaststätten, Hotels mit D-Mark im Verhältnis 1:1 bezahlen müssen.

Angebot der sowjetischen Regierung, freien gesamtdeutschen Wahlen beim Verzicht auf die Ratifizierung der Pariser Verträge zuzustimmen.

Das erste atombetriebene U-Boot der Welt, die US-amerikanische „Nautilus“, sticht in See.

Die Sowjetunion erklärt den Kriegszustand mit Deutschland für beendet.

Oppositionspolitiker, Gewerkschaftsmitglieder und Theologen lehnen im „Deutschen Manifest“ in der Frankfurter Paulskirche die „Pariser Verträge“ von 1954 ab.

Februar

In Gera geht ein dreitägiger Strafprozess gegen die Jenaer Schüler-Widerstandsgruppe „Weiße Rose“ mit hohen Zuchthausstrafen zu Ende. Das Ministerium für Staatssicherheit bricht in das Ost-Büro der FDP in Berlin ein und stiehlt wichtige Unterlagen.

Das erstmals veröffentlichte Gelöbnis für die Jugendweihe erscheint weltanschaulich neutral. Die Fassungen der folgenden Jahre sind zunehmend als Bekenntnis zur SED formuliert.

Der Bundestag ratifiziert den Deutschland-Vertrag.

März

„Proklamation an das deutsche Volk“ der DDR-Volkskammer gegen die Ratifizierung der „Pariser Verträge“ durch den Bundestag.

In Ost-Berlin finden die ersten Jugendweihen statt: Gelöbnis der Jugendlichen auf die DDR, den Sozialismus und die Freundschaft mit der Sowjetunion.

Blick auf das Hauptgebäude der Ernst-Moritz-Arndt Universität Greifswald zu Beginn der 1950er Jahre. Quelle: Bildarchiv Foto Marburg

Sechs Greifswalder Studenten werden zu hohen Haftstrafen verurteilt, weil sie gegen die Umstrukturierung der medizinischen Fakultät in eine Ausbildungsstätte für Militärmedizin protestierten.
Zum Artikel ...

April

Der Journalist Karl Wilhelm Fricke wird von der Staatssicherheit von West- nach Ost-Berlin entführt. Später wird er in einem Geheimprozess wegen „Spionage“ zu vier Jahren Haft verurteilt.

Der Ministerrat meldet die Verhaftung von 521 „Agenten“. Zu ihnen rechnet er auch den aus West-Berlin entführten Journalisten Karl Wilhelm Fricke.

Ungarischer Premierminister Imre Nagy wird abgesetzt und nach einem Geheimprozess 1958 hingerichtet.

Mai

Bei den Mai-Demonstration in Ost-Berlin treten erstmals öffentlich bewaffnete Verbände der Kampfgruppen der DDR-Betriebe („Kampfgruppen der Arbeiterklasse“) auf.

Die Pariser Verträge treten in Kraft: „Tag der Souveränität der Bundesrepublik“.

Beitritt der Bundesrepublik zur Westeuropäischen Union (WEU).

Die Bundesrepublik tritt der NATO bei.

Häftlingsrevolte in der Haftanstalt Bautzen.

In Warschau unterzeichnen Vertreter Albaniens, Bulgariens, Polens, Rumäniens, der Tschechoslowakei, der UdSSR, der DDR und Ungarns einen Vertrag über gegenseitigen militärischen Beistand und die Bildung eines gemeinsamen militärischen Oberkommandos – Warschauer Vertrag.

Gründung des Warschauer Pakts.

In Wien wird der Österreichische Staatsvertrag durch die Außenminister der Vier Siegermächte unterzeichnet. Die Alpenrepublik erhält ihre Unabhängigkeit, darf sich aber Deutschland nicht anschließen. Sie muss sich zu immer währender Neutralität verpflichten.

Juni

Das Zentralkomitee der SED verabschiedet ein „Zehn-Punkte-Programm“ zur Wiedervereinigung.

In Stuttgart endet der Prozess gegen Angehörige der verbotenen FDJ mit der Verurteilung von zwei Angeklagten zu Haftstrafen von vier beziehungsweise fünf Jahren.

Die Bundesregierung schafft das Bundesministerium für Verteidigung.

Joachim Wiebach wird wegen Kontakten zum Westberliner Rundfunksender RIAS vom Obersten Gericht zum Tode verurteilt und am 14. September hingerichtet.

Gerhard Benkowitz wird hingerichtet. Er lieferte ab 1949 Stimmungsberichte aus der Region Weimar für die Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit .

Juli

„Geschichtsbeschluss“ des Politbüros: Richtlinie der Partei für die Geschichtswissenschaft auf dem Weg zu einer „marxistisch-leninistischen Gesellschaftswissenschaft“. Der Führungsanspruch der SED gegenüber der Geschichtswissenschaft wird damit durchgesetzt.

Neun Atomwissenschaftler warnen die Weltöffentlichkeit vor den Gefahren eines Atomkriegs. Zu ihnen gehören Bertrand Russel und der am 18. April verstorbene Albert Einstein.

Eine Deutschland-Konferenz der Vier Mächte tagt in Genf. Es gibt keinerlei Veränderungen in der „Deutschen Frage“.

Nikita S. Chruschtschow und Nikolai Bulganin besuchen die DDR; Chruschtschow verkündet die neue sowjetische „Zwei-Staaten-Doktrin“.

August Mokry wird in Potsdam wegen „Spionage“ zu lebenslangem Zuchthaus verurteilt.

August

Die Mitglieder der Organisation für europäische wirtschaftliche Zusammenarbeit (OEEC) unterzeichnen das Europäische Währungsabkommen, das die Europäische Zahlungsunion ersetzt.

Die bisher von den USA finanzierte „Organisation Gehlen“, der vom ehemaligen deutschen Generalleutnants Reinhard Gehlen geführte Nachrichtendienst, wird durch einen Organisationserlass dem Bundeskanzleramt unterstellt – als deutscher Auslandsspionagedienst.

In der portugiesischen Kolonie Goa kommt es zu blutigen Zusammenstößen zwischen der Polizei und Demonstranten, die den Anschluss Goas an Indien verlangen.

Der Ministerrat der DDR ordnet die Bildung von „Produktionsgenossenschaften des Handwerks“ (PGH) an.

Grundsteinlegung für das Braunkohle-Kombinat „Schwarze Pumpe“ in der DDR.

September

Bundeskanzler Konrad Adenauer trifft zu einem viertägigen Staatsbesuch in Moskau ein. Ein Ergebnis ist die baldige Entlassung der letzten deutschen Kriegsgefangenen und SMT-Verurteilten (Sowjetische Militärtribunale) aus sowjetischer Arbeitslagerhaft.

Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und der Sowjetunion.

Die sowjetischen Besatzungstruppen haben Österreich geräumt.

Die DDR erhält durch den „Vertrag über die Beziehungen zwischen der Deutschen Demokratischen Republik und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken“ formell die staatliche Souveränität.

Beginn der „Hallstein-Doktrin“: Bundeskanzler Konrad Adenauer erklärt vor dem Bundestag, dass es die Bundesrepublik Deutschland ab sofort als „unfreundlichen Akt“ ansieht, wenn ein diplomatischer Partner die DDR diplomatisch anerkennt.

Der Bundestag billigt die Moskauer Vereinbarungen über die Aufnahme diplomatischer Beziehungen.

Gesetz über das Staatswappen und die Staatsflagge der DDR beschlossen: Hammer, Zirkel, Ährenkranz auf Schwarz-Rot-Gold.

Oktober

Schwere Kämpfe zwischen französischen Truppen und aufständischen Berbern in Marokko. Eliteeinheiten der französischen Fremdenlegion gelingt es, die eingeschlossene Festung Aknoul frei zu kämpfen.

Die ersten Spätheimkehrer aus der sowjetischen Kriegsgefangenschaft treffen im Lager Friedland, Kreis Göttingen, ein. Mit ihnen kehren auch deutsche Zivilisten, die nach 1945 von Sowjetischen Militärtribunalen verurteilt und in das Gulag-Lagersystem verschleppt wurden, in ihre Heimat zurück.

In Ost-Berlin vereinbaren das Nationale Olympischen Komitees der Bundesrepublik und jenes der DDR die Aufstellung einer gesamtdeutschen Mannschaft für die Olympischen Spiele 1956.

Die Bevölkerung des Saarlands lehnt in einer Volksabstimmung das Saar-Statut ab. Frankreich erklärt sich bereit, das Saarland der Bundesrepublik anzugliedern.

Treffen der Außenminister der Vier Siegermächte in Genf. Die Sowjetunion schlägt für Deutschland eine „Konföderation“ vor.

November

Elli Barczatis, Chefsekretärin von DDR-Ministerpräsident Otto Grotewohl, und ihr Freund Karl Laurenz werden wegen Spionage hingerichtet.

Umstrukturierung im Regierungsapparat der DDR. Walter Ulbricht wird Erster Stellvertreter des Vorsitzenden des Ministerrats. Das Staatssekretariat für Staatssicherheit (SfS) wird wieder in ein selbstständiges Ministerium (MfS) umgewandelt.

Dezember

Einführung der Hallstein-Doktrin in die westdeutsche Außenpolitik. Die Aufnahme von diplomatischen Beziehungen zur Sowjetunion wird davon ausgenommen.

Otto John, der am 20. Juli 1954 in die DDR verschwundene ehemalige Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, kehrt in die Bundesrepublik zurück. Er erklärt, entführt worden zu sein.

In Frankfurt/Oder trifft ein Transport von „deutschen Kriegsverbrechern“ aus der Sowjetunion ein. Sie werden nach Bautzen überstellt. Unter ihnen befinden sich zahlreiche Häftlinge, die nach dem 8. Mai 1945 von Sowjetischen Militärtribunalen wegen ihrer oppositionellen Haltung verurteilt wurden.

Um aufkommende Beschäftigungslücken zu füllen, schließt die Bundesrepublik mit Italien ein Abkommen über die Anwerbung der ersten 100.000 „Gastarbeiter“.

Der Ministerrat beschließt die vorzeitige Freilassung von 2.616 Verurteilten Sowjetischer Militärtribunale.


auf Twitter teilen auf Facebook teilen Kommentieren Drucken Artikel versenden