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Chronik

1985

Januar

1985 verlassen 24.912 Menschen die DDR in Richtung Bundesrepublik.

In Genf treffen sich der amerikanische und der sowjetische Außenminister. Sie einigen sich darauf, den Dialog wieder zu beginnen.

Die letzten von insgesamt 168 DDR-Bürgern, die sich seit Oktober in der Prager Botschaft der Bundesrepublik aufgehalten haben, kehren in die DDR zurück. Eine zügige Bearbeitung ihrer Ausreiseanträge wurde ihnen zugesichert. Es ist das internationale Jahr der Jugend. Aktivisten der Friedensbewegung der DDR verfassen einen Brief an die Regierung. Sie fordern vor allem Recht auf Bildung, Reisefreiheit und Versammlungsfreiheit. Außerdem verlangen sie die nötigen Voraussetzungen für die freie Entfaltung und Entwicklung der Jugend zu schaffen. Zu den Erstunterzeichnern gehören Ralf Hirsch, Peter Grimm, Christian Halbrock und Peter Rölle.

In Paris verbreitet die deutsche RAF und die französische Gruppe Action directe eine Erklärung "für die Einheit der Revolutionäre in Westeuropa". Am 25. Januar wird in Paris Rene Audran aus dem Verteidigungsministerium ermordet.

Die deutsch-sowjetische Wirtschaftskommission (Bundesrepublik / UdSSR) trifft in Bonn zusammen.

Das Kirchenschiff der Versöhnungsgemeinde im Todesstreifen an der Berliner Mauer wird gesprengt.

Als letzter noch in Italien inhaftierter NS-Kriegsverbrecher wird der ehemalige SS-Sturmbannführer Walter Reder aus der Haft entlassen und nach Österreich überstellt.

Als erster der seit Dezember 1984 im Hungerstreik befindlichen RAF-Häftlinge bricht Günter Sonnenberg die Aktion ab. Die letzten der 33 Inhaftierten folgen am 5. Februar diesem Beispiel.

Februar

Ernst Zimmermann, Vorstandsvorsitzender der Motoren- und Turbinen Union (MTU) wird von Terroristen der RAF ermordet.

Grönland tritt aus der Europäischen Gemeinschaft aus.

Das Ministerium für Staatssicherheit wird vom Zentralkomitee der SED mit dem Karl-Marx-Orden und Ehrenbanner ausgezeichnet.

Staats- und Parteichef Erich Honecker empfängt den Vorsitzenden der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen der DDR, Hempel. Beide bekräftigen die im März 1978 vereinbarten Grundsätze für eine konstruktive Zusammenarbeit.

Die bundesdeutsche Botschaft in Prag wird nach mehr als vier Monaten Schließung wieder geöffnet. Zuvor haben mehr als 150 DDR-Bürger hier Zuflucht gesucht, um in die Bundesrepublik Deutschland ausreisen zu dürfen.

März

Der Iran greift die irakische Provinzhauptstadt Basra an, worauf der Irak am 7. März mit dem Beschuss iranischer Städte beginnt: Der Erste Golfkrieg verschärft sich.

Tod von KpdSU-Chef Konstantin Ustinowitsch Tschernenko.

Michail Gorbatschow wird KPdSU-Vorsitzender und Staatschef der UdSSR. „Prager Aufruf“ der Charta 77 zur Überwindung der Teilung Europas.

Die Evangelische Kirche in Deutschland und der Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR veröffentlichen ein gemeinsames Wort zum Frieden. Auch der Kirche sei es schwer gefallen, die Realität von zwei deutschen Staaten anzuerkennen: „Aber wir haben erkannt: Die Erhaltung des Friedens hat den Vorrang vor allem anderen“.

April

Als erster britischer Außenminister besucht G. Howe die DDR. Er bekundet Interesse an der Verbesserung der Beziehungen und am Handel.

Die Regierung der DDR erlaubt dem Nachrichtenmagazin Spiegel die Wiedereröffnung eines Büros in der DDR. Das erste Ost-Berliner Spiegel-Büro war Anfang 1978 von den Behörden wegen des Abdrucks eines regimekritischen „Manifests“ geschlossen worden.

Bundeskanzler Helmut Kohl spricht sich in einer Regierungserklärung für das amerikanische Forschungsprogramm SDI zur Stationierung von Weltraumwaffen aus. In Zeitungsanzeigen protestieren Wissenschaftler und Schriftsteller.

Staats- und Parteichef Erich Honecker reist zu seinem ersten Besuch in ein NATO-Land nach Italien und wird in Vatikanstadt vom Papst zu einer Audienz empfangen.

In Warschau treffen hochrangige Delegationen der Staaten des Warschauer Vertrags zusammen. Der Warschauer Vertrag wird um 20 Jahre verlängert.

Mai

Besuch des amerikanischen Präsidenten in der Bundesrepublik. International kommt es zu heftigen Protesten, da Helmut Kohl und Ronald Reagan am 5. Mai auch den Soldatenfriedhof in Bittburg besuchen. Auf diesem Soldatenfriedhof sind auch 50 Angehörige der Waffen-SS beerdigt.

Erich Honecker trifft in Moskau ein. Er ist als erster Regierungschef eines Ostblockstaats offiziell bei dem neuen Generalsekretär der KPdSU, Michail Gorbatschow, zu Gast.

Es erscheint der Aufruf einer „Initiative für Blockfreiheit in Europa“. Der Text wird in der amerikanischen und in der sowjetischen Botschaft in Ost-Berlin abgegeben. Unterzeichner kommen aus Ost- und Westdeutschland.

Juni

Herbert Wehner (SPD) betreibt seine eigene Deutschlandpolitik: Er wird von Erich Honecker zu einem ausführlichen Meinungsaustausch empfangen.

Zum ersten Mal besucht der Regierungschef einer der drei Westalliierten die DDR und Ost-Berlin: Der französische Ministerpräsident Laurent Fabius will vor allem die Wirtschaftsbeziehungen ausweiten.

Auf der Glienicker Brücke in Berlin findet der größte Agentenaustausch seit 1945 statt: 29 Spione aus sechs Ländern werden ausgetauscht.

In einer Grundsatzrede umreißt Michail Gorbatschow die neue Wirtschaftspolitik der KPdSU und kritisiert ihre bisherige.

Hahny's Breakcrew, Streetdance in Meißen, 1986. Immer mit dabei: Linoleum-Matte und ein sorgsam gehüteter Kassettenrekorder. Privatsammlung Heiko Hahnewald

Der amerikanische HipHop-Film „Beat Street“ feiert seine Premiere in der DDR. Auf einen Film wie diesen haben die jungen Fans nur gewartet: Breakdance, Raps und Graffiti prägen die HipHop-Generation in der DDR.
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Vertragsentwurf von SPD und SED über eine Chemiewaffen-freie Zone in Zentraleuropa.

Großbritannien, Dänemark und Griechenland drohen aus unterschiedlichen Gründen beim EG-Gipfeltreffen mit dem Bruch der EG. Die Mehrheit der Versammelten will das geltende Prinzip einstimmiger Beschlüsse, das heißt das Vetorecht einzelner Staaten, abschaffen.

Juli

Michail Gorbatschow führt zahlreiche Umbesetzungen in der KPdSU und im Staat durch. Außenminister wird Eduard Schewardnadse.

In Moskau und Washington wird bekannt gegeben, dass sich Michail Gorbatschow und Ronald Reagan auf ein Gipfeltreffen im November in Genf geeinigt haben.

Die DDR und die Bundesrepublik vereinbaren die Erhöhung des zinslosen Überziehungskredits (Swing) für die Jahre 1986 bis 1990 von 600 Millionen auf 850 Millionen D-Mark.

Ein Schiff der Umweltorganisation Greenpeace wird von Agenten des französischen Geheimdienstes in Neuseeland versenkt, weil Greenpeace gegen französische Atombombenversuche protestiert. Dabei wird ein Greenpeace-Aktivist getötet.

Gerhard Schröder (SPD) wird in Ost-Berlin von Staats- und Parteichef Erich Honecker empfangen. Gerhard Schröder spricht sich unter anderem für die Respektierung einer DDR-Staatsbürgerschaft und die Auflösung der Zentralen Erfassungsstelle in Salzgitter aus.

August

Die Sowjetunion ruft einseitig ein Moratorium für alle Atomexplosionen aus, das vorerst bis zum 31. Dezember befristet wird.

Einem Sprengstoffanschlag auf den militärischen Teil des Frankfurter Flughafens fallen zwei Menschen zum Opfer, elf weitere werden verletzt. Die RAF und die französische „Action directe“ bekennen sich zu dem Anschlag.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz gibt das Verschwinden von Hansjoachim Tiedge bekannt, der für die Abwehr der DDR-Spionage zuständig war. Am 23. August meldet die DDR-Nachrichtenagentur ADN den Übertritt Hansjoachim Tiedges in die DDR. Der Fall entwickelt sich zu einem der größten Spionageskandale der deutschen Nachkriegszeit.

September

Staats- und Parteichef Erich Honecker und der tschechoslowakische Ministerpräsident Lubomír Strougal schlagen in Briefen an Helmut Kohl dreiseitige Verhandlungen über die Schaffung einer von chemischen Waffen freien Zone vor. Helmut Kohl lehnt ab.

Willy Brandt, Egon Bahr und Günther Gaus besuchen Staats- und Parteichef Erich Honecker. Sie vereinbaren die Bildung einer Arbeitsgruppe zur Diskussion eines Atomwaffen-freien Korridors.

Oktober

Mehrere 10.000 Atomkraftgegner demonstrieren in München gegen die geplante Wiederaufbereitungsanlage für Brennelemente im bayerischen Wackersdorf.

Die sächsische Landeskirche beklagt, dass staatliche Stellen zunehmend Einreiseverbote gegen Westdeutsche verhängen, wodurch die Zusammenarbeit mit Partnergemeinden erheblich behindert werde.

In Budapest beginnt das „Kulturforum“ der KSZE. Es endet am 25. November ohne Abschlussdokument. Bürgerrechtsgruppen aus Osteuropa, deren Angehörige Ungarn die Einreise gestattet, veranstalten in den ersten Tagen parallel ein Kultursymposium, auf dem Fragen der nationalen Identität, das Recht auf Geschichte und das Recht auf Abweichung in Mittelpunkt stehen.

In Sofia tagt der Warschauer Pakt, der sich scharf gegen das amerikanische SDI-Programm zur Stationierung von Weltraumwaffen ausspricht.

Trotz breiter Proteste gegen die Stationierung amerikanischer Mittelstreckenraketen in den Niederlanden beschließt die Regierung, die Marschflugkörper bis Ende 1988 aufzustellen.

November

Die DDR hat entlang der deutsch-deutschen Grenze alle Bodenminen entfernt.

Oskar Lafontaine besucht die DDR und kündigt die Eröffnung eines eigenen Wirtschaftsbüros des Saarlands und eine Städtepartnerschaft Saarlouis-Eisenhüttenstadt an. Desweiteren spricht er sich für die Respektierung einer eigenen DDR-Staatsbürgerschaft aus.

Ein erstes Gipfeltreffen von US-Präsident Ronald Reagan und dem sowjetischen Parteichef Michail Gorbatschow findet statt.

Konrad Naumann, 1. Sekretär der SED-Bezirksleitung Berlin, wird von seinem Amt entbunden.

Dezember

Willy Brandt ist anlässlich des 15. Jahrestags des Warschauer Vertrags in Warschau. Er trifft sich mit Wojciech W. Jaruzelski, aber nicht mit Lech Walesa.

Erstmals erlebt die Bundesregierung eine rot-grüne Landesregierung. Joschka Fischer wird Umweltminister der hessischen Landesregierung. Die Koalition hält bis zum 9. Februar 1987.


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