Passfoto von Christian Halbrock (1985). Dieses Foto verwendet das MfS in einer Dokumentation über die Mitglieder der UB. Quelle: BStU, MfS, BV Berlin Abt. XX - 2746
Weil Christian Halbrock einen solchen Aufnäher am Parka trägt, darf er während seiner Berufsausbildung das Schulgebäude nicht mehr betreten. Die Staatssicherheit beschlagnahmt schließlich Parka samt Aufnäher. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft
Berlin-Prenzlauer Berg, Hinterhof der Dunckerstraße 21 (1985). Im September 1982 bezieht Christian Halbrock illegal eine Wohnung in diesem Haus. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft
Am 18. Mai 1984 organisieren Michael Beleites und der Bitterfelder Kreisjugendpfarrer Jürgen Kohtz einen Protestmarsch von Bitterfeld über Greppin nach Wolfen. Damit wollen sie auf die Umweltzerstörung in dieser Region aufmerksam machen. V.l.n.r.: Christian Halbrock, Oliver Groppler und Jens Albert Möller. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft/Michael Beleites
Erste Ausgabe des Informationsblattes der UB. Über Ursachen und Folgen des Super GAUs von Tschernobyl 1986 wird in der DDR offiziell so gut wie nicht informiert. Die Ostdeutschen sind höchst beunruhigt, fragen nach möglichen Verhaltensweisen und sicheren Lebensmitteln. Die UB stellt Daten und Fakten zusammen und führt Veranstaltungen zu diesem Thema durch. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft
Aus einer Stasi-Dokumentation über die Mitglieder der UB: Christian Halbrock wird vom MfS mit versteckter Kamera observiert. Quelle: Bundesarchiv / Stasi-Unterlagen-Archiv, MfS BV Berlin Abt. XX - 2746
Das MfS observiert die Wohnung von Christian Halbrock in Berlin, Senefelderstraße 18 und erstellt am 3. März 1987 diesen detaillierten Lageplan. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft (BStU-Kopie)
1986 gründet Christian Halbrock den Friedens- und Umweltkreis der Pfarr- und Glaubenskirche in Berlin-Lichtenberg mit, ein Vorläufer der im September zusammen mit Wolfgang Rüddenklau und Carlo Jordan gegründeten Umwelt-Bibliothek (UB). Bis zum Herbst 1989 ist er in der UB aktiv und Mitglied im Gemeindekirchenrat der Zionsgemeinde. Plakat und Flugblatt der Umwelt-Bibliothek. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft
Christian Halbrock, 3. November 2004. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft/Gunnar Uhlenhut
Ost-Berlin 1983. Christian Halbrock ist 20 Jahre alt und im Umweltkreis der Evangelischen Studentengemeinde aktiv. Er beteiligt sich unter anderem an Aktionen gegen den Autobahnbau bei Schwerin und an Fahrrad-Demonstrationen gegen die Umweltverschmutzung in der DDR. Christian Halbrock will aktiv sein und auf die Straße gehen – nicht nur diskutieren und Eingaben schreiben.
Wenn man in dieser Zeit unter dem Label „Öko“ aktiv ist, wird man von der Partei nicht sofort als Staatsfeind definiert, auch wenn mit Umwelt nicht nur die Natur, sondern die gesamte Gesellschaft gemeint ist. Christian Halbrock und seine Freunde wollen diese Gesellschaft verbessern. Bei ihren Demos können die Aktivisten auf Unterstützung aus der Bevölkerung hoffen: Sie kann nicht verstehen, warum man die Jugendlichen verhaftet, wo sie doch etwas für die Umwelt tun!
Zusammen mit Wolfgang Rüddenklau beteiligt sich Christian Halbrock 1986 am Friedens- und Umweltkreis der Pfarr- und Glaubenskirche Lichtenberg. Im selben Jahr gründet er zusammen mit Wolfgang Rüddenklau und Carlo Jordan die Berliner Umwelt-Bibliothek (UB). Auf der Suche nach eigenen Räumen nehmen die Gründer Kontakt zu Pfarrer Simon von der Zionsgemeinde in Berlin-Mitte auf, der seinen Keller zur Verfügung stellt. Dort bauen die Aktivisten die UB auf, veranstalten Vorträge und stellen die Samisdat-Zeitschrift Umweltblätter her, zunächst in einer monatlichen Auflage von etwa 200 Exemplaren, später sind es 600. Im Jahr der Revolution, 1989, werden bis zu 2.000 Exemplare gedruckt.
Mit der Etablierung der UB als öffentlicher Treffpunkt für Andersdenkende wird das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) auf die Vorgänge im Keller der Zionsgemeinde aufmerksam. Für Christian Halbrock und die anderen Mitglieder der UB gibt es Ordnungsstrafen wegen „Störung des sozialistischen Lebens“. Als Folge der MfS-Razzia im November 1987 erfährt die UB großen Zuspruch aus der Bevölkerung. Solidaritätsadressen von verschiedenen Gruppen aus Ost und West treffen ein, es kommen Papierspenden und deutlich mehr Besucher. Christian Halbrock verabschiedet sich im Dezember 1989 von der UB. Aus seiner Perspektive hat sie ihren Zweck verloren: das Informationsmonopol des Staates zu brechen. Das hat sich mit der Friedlichen Revolution von selbst erledigt.
Biografische Angaben zu Christian Halbrock finden sie im Personenlexikon.
Zitierempfehlung: „Christian Halbrock“, hrsg. v. Bundeszentrale für politische Bildung und Robert-Havemann-Gesellschaft e.V., letzte Änderung Dezember 2019, www.jugendopposition.de/145510
Zum Anschauen des Videos benötigen Sie Javascript oder Flash
Diese Literatur war vorhanden, die hatten einzelne Leute bei sich zu Hause. Für uns war klar: Man muss eine Möglichkeit schaffen, dass wir das jedem zugänglich machen können. Es war klar, dass das in der DDR strafrechtlich relevant war – die Weitergabe von westlicher Literatur. Aber wir dachten, wir machen das hier, in diesen geschützten kirchlichen Räumen. ´Die Krebsstation` von Solschenizyn liest man sich einmal durch. Das muss man nicht zu Hause stehen haben, das muss man dann weitergeben. Es herrschte ja absolutes Informationsdefizit in der DDR. Dann haben wir uns über Unterstützer in West-Berlin gute Kanäle erschlossen, mit denen wir uns in den folgenden Monaten Literatur, aber auch Zeitschriften und Zeitungen aus West-Berlin haben besorgen, haben reinschmuggeln lassen, in die DDR.
Die erste Veranstaltung, mit der wir groß bekannt wurden, war der Reaktor-Unfall in Tschernobyl. Die Radiomeldungen sickerten ja nur ganz scheibchenweise durch. Nur im Westen wurde richtig informiert. Zu dem Zeitpunkt war schon bekannt: Es gibt da irgend sowas wie eine Umweltgruppe an der Zionskirche. Wir hatten noch nicht mal die Umwelt-Bibliothek geöffnet. Da gab es Mütter vom Kindergarten, die jetzt Sorgen hatten wegen der Milch, ob man die noch verwenden kann – solche Sachen. Mütter, die beim Pastor die Bude einrannten. So war das eben in der DDR, dass der Pfarrer Ansprechpartner für alles war. Der musste zu allem was sagen, der sollte alles wissen.
Der meldete sich dann ganz schnell bei mir und noch jemandem und sagte: ´Ihr wollt doch diese Umwelt-Bibliothek aufbauen. Ich weiß auch nicht, was ich den Leuten sagen soll`` Heraus kam dann ganz schnell die Idee, dass wir als erste Veranstaltung einen Themenabend dazu im Gemeindesaal machen. ´Morsche Meile` hieß die Veranstaltung – da wurde ein Plakat in den Schaukasten der Kirche reingebaumelt. Rot und schwarz, mit einem Reaktor-Umriss. Das hat enorm gezogen, damals.
Christian Halbrock, Zeitzeuge auf www.jugendopposition.de