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Aram Radomski - Endzeitstimmung in der DDR



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Abschrift

Es hatte eine eigene Dynamik gehabt, diese Themen immer weiter zu verdichten. Und es ist ja dann auch so gewesen, dass die Zeit, diese 88, 89 oder 87 bis 89, diese Zeit eben auch eine ganz eigene Dynamik bekam. Und da unterstützten die Bilder im Grunde einen Unmut in der Öffentlichkeit, der dadurch vielleicht möglicherweise auch immer größer wurde, weil da eben also sich etwas Gehör verschaffte, was unterm Kessel sozusagen sowieso schon längst brodelte. Und diese Ausreisezeit damals 1989 war ja auch im Grunde genommen … Da gingen ja nicht mehr die Eliten aus dem Land, die waren ja meistens schon weg gewesen. Da ging der einfache Mann, der machte sich plötzlich auf nach Prag und nach Budapest und sagte: Ich will jetzt hier auch weg. Aber es war ja nicht mehr der große, denkende Teil der Bevölkerung, der sozusagen eine Elitenmeinung aussprach, sondern der sagte irgendwie: So, jetzt reichts. Also, das hat man an den Bildern damals auch immer gesehen, dass das einfache Familien waren, die in den Westen gegangen waren und die eigentlich in so eine Panik gerieten, irgendwie die Letzten bei irgendwas zu sein, und wo dann das Licht ausgeschaltet wird und da möchte man dann nicht selbst dabei sein. Aber ich hab das damals überhaupt nicht so gesehen, sondern hab das immer so als eine Erscheinung verstanden, die damit zu tun hatte, dass der Laden immer weiter in sich zusammenfiel und dass im Grunde genommen überhaupt keine öffentliche Lust mehr bestand also an diesem Lebensmodell. Das ist ja … innerhalb von zwei, drei Jahren ist das ja völlig in sich zusammengefallen.

Also was vorher noch der stolze DDR-Bürger war, den man so in Berlin hier so treffen konnte und der mein Gegenüber war oder das von Siegbert Schefke oder von vielen anderen, die in der Opposition waren, also die mit diesem Staat eben in Konflikt gekommen waren, auch diese öffentliche Haltung verschwand langsam. Also es kam eine Skepsis dazu, was das eigene Leben betraf. Ob man jetzt wirklich glücklich ist? Ist man wirklich glücklich, so wie man hier lebt?

Und so langsam öffneten sich überall so auch ein bisschen die Augen und die Ohren und wo man dann merkte: Nein, das ist nicht so schön, wie wir das hier haben, ich wollte nicht so leben. Ich wollte nicht mein Leben also als Perspektive verstehen: Wir werden, bis wir ganz alt sind, in so einem kleinen Land leben, in dem es irgendwie so ein paar alte Pappautos gibt und wo man nach 18 Jahren vielleicht auch mal einen PKW sein Eigen nennt und so weiter. Und die Welt war irgendwie größer. Wir guckten Fernsehen, wir guckten amerikanische Filme, wir hörten Bob-Dylan-Musik und weiß ich was. Und die Welt war ja größer für uns, als das, was man uns erzählte. Ich will eigentlich nur ein Auto, ich möchte nur ein Haus haben, ich möchte einen Job haben und ich möchte meine Kinder erziehen und ich möchte meine Ruhe. Und auch vielleicht einmal im Jahr irgendwohin fahren können, vielleicht außer nach Bulgarien noch woandershin. Aber es waren so ganz einfache bürgerliche oder vielleicht auch kleinbürgerliche Vorstellungen, aber die total legitim waren. Und die haben am Ende sozusagen das philosophische Konzept der DDR außer Kraft gesetzt, weil, das konnte von diesem Konzept nicht mehr beantwortet werden. Und das war am Ende auch das große Problem gewesen, dass also die Glaubwürdigkeit sozusagen der Staatskonstruktion völlig infrage gestellt war, weil es auf wesentliche einfache Fragen keine Antworten mehr gab. Und da wurde dann am Ende, glaube ich, ganz rabiat entschieden, also vom Volk, und gesagt: Na, dann geht das eben nicht, dann ist der Traum eben ausgeträumt.

Aram Radomski, Zeitzeuge auf www.jugendopposition.de

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