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Heinz Grünhagen

Das Schwarzweißporträtfoto zeigt eine Frau und einen Mann, die nebeneinander sitzen. Die Frau trägt ein gepunktetes Kleid mit einem weißen Kragen und hat ihr Haar frisiert. Sie hält einen großen Blumenstrauß in den Händen, der aus kleinen, dichten Blüten besteht. Der Mann trägt einen Anzug mit Krawatte und hat sein dunkles Haar ordentlich zurückgekämmt. Beide schauen direkt in die Kamera.
Der 20-jährige Brigadier Heinz Grünhagen wird in das Streikkomitee der Strausberger Arbeiter gewählt. Zusammen mit seinen Kollegen macht er sich am 17. Juni 1953 auf den Weg nach Ost-Berlin, um die Forderungen der Arbeiter zu überbringen. Doch die Kolonne wird von der Volkspolizei und sowjetischen Soldaten gestoppt und zur Umkehr gezwungen. Heinz Grünhagen wird noch in der Nacht verhaftet und zu fünf Jahren Zuchthaus verurteilt. Seine Frau hält ihm die Treue. Im Bild: das Hochzeitsfoto von Heinz Grünhagen. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft / RHG_Fo_HAB_20248
Die Schwarzweißfotografie hat einen charakteristischen gezackten Rand. Die Oberfläche weist verschiedene Flecken, Kratzer und Beschädigungen auf. Zu sehen ist ein lächelnder junger Mann, der in einem Innenraum auf einem Stuhl sitzt. Er trägt dunkle Kleidung und hat eine Kappe auf dem Kopf. Seine linke Hand hebt er zum Gruß, in der rechten Hand hält er eine Zigarette. Der Hintergrund zeigt eine schlichte Wand.
Heinz Grünhagen als junger Brigadier in Strausberg (wahrscheinlich Frühjahr 1953). Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft / RHG_Fo_HAB_20330
Dieses Bild zeigt ein historisches Dokument aus dem Archiv der Robert-Havemann-Gesellschaft. Es handelt sich um eine Abschrift eines Gerichtsdokuments vom Obersten Gericht der Deutschen Demokratischen Republik, datiert auf den 15. Juli 1953. Das Dokument ist eine Anklageschrift und listet auf der linken Seite mehrere Angeklagte auf. Der Vorwurf lautet Landfriedensbruch. Auf der rechten Seite des Dokuments wird die Begründung für die Ablehnung der Berufungen erläutert. Das mit Schreibmaschine geschriebene Dokument ist auf gelblichem Papier verfasst, das starke Gebrauchsspuren, Knicke und Risse aufweist.
Ablehnung der Berufung gegen Heinz Grünhagens Haftstrafe. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft/DGr 09
Abschrift
Dieses Bild zeigt eine Gedenkplakette mit einer blauen Metalltafel für die Opfer des Volksaufstandes vom 17. Juni 1953 in Strausberg. Die Tafel ist an einem hellen Steinblock befestigt und trägt eine Inschrift in weißen Buchstaben. Auf dem Stein liegen Blumen. Die Plakette ist mit vier Schrauben am Stein befestigt, und im Hintergrund ist grünes Gras zu sehen.
Es ist dem Einsatz von Heinz Grünhagen zu verdanken, dass in Strausberg eine Gedenktafel an die Opfer des Volksaufstandes vom 17. Juni 1953 erinnert. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft / RHG_Fo_HAB_20332
Abschrift
Dieses Bild zeigt einen älteren Herren. Der Mann hat graues, zurückgekämmtes Haar und trägt einen beigen gemusterten Pullover mit dunklen Knöpfen und Kragen. Die Aufnahme ist vor einem schwarzen Hintergrund gemacht. Der Mann blickt leicht zur Seite, nicht direkt in die Kamera.
Heinz Grünhagen 2007. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft

Strausberg, Frühsommer 1953. Heinz Grünhagen, ein 20-jähriger Bauarbeiter, hat in dem nahe Berlin gelegenen Ort eine gut bezahlte Stelle gefunden. Obwohl er noch so jung ist, lässt man ihn bereits auf der Vertrauensposition eines Brigadiers arbeiten. Für zehn bis dreizehn Kollegen schreibt er die Arbeitsleistungen auf und rechnet sie beim sogenannten Normer ab. Einmal monatlich lässt er die Berichte vom Bauleiter gegenzeichnen. Die SED verlangt in dieser Zeit immer mehr von den Arbeitern. Heinz Grünhagen weiß, was die geforderte zehnprozentige Normerhöhung bedeutet: Der Lohnverlust ist groß. Er weiß auch, dass die Mehrheit der Kollegen den erhöhten Arbeitsdruck ablehnt. Am Abend des 16. Juni 1953 hört er im RIAS, dass Berliner Bauarbeiter zum Sitz der DDR-Regierung ziehen. Dort fordern sie nicht nur die Rücknahme der Normerhöhung, sondern auch freie Wahlen.

Heinz Grünhagen ist frisch verheiratet, seine Frau ist schwanger. Er hätte also gute Gründe, sich politisch zurückzuhalten. Doch er ist von der Aktion der Berliner Bauarbeiter spontan begeistert. Am nächsten Morgen fährt er zur Baustelle, wo die Bauarbeiter sich im Kulturraum versammeln, um eine Streikleitung zu wählen. Auch Heinz Grünhagen gehört zum Streikkomitee.

Heinz Grünhagen und seine Kollegen bemächtigen sich mehrerer LKW der Bau-Union und fahren von einem Betrieb zum anderen, um überall im Kreis Strausberg zum Streik aufzufordern. Im Zementwerk Rüdersdorf fordern sie die Freilassung der politischen Gefangenen, die dort unter schwersten Bedingungen arbeiten müssen. Das Lager ist von der Polizei bewacht. Die Demonstranten gehen einer gewaltsamen Auseinandersetzung mit den bewaffneten Wachmannschaften aus dem Weg und fahren nach Strausberg zurück.

Auf der Baustelle essen sie zu Mittag, dann machen sie sich auf den Weg nach Ost-Berlin. Kasernierte Volkspolizei und sowjetische Militärs sichern die Stadtgrenze. Als die Arbeiter vorrücken, feuern die Russen Warnschüsse ab. Die Kolonne fährt nach Strausberg zurück. Dort trennt man sich.

Nachts wird Heinz Grünhagen von der Stasi aus dem Bett geholt. Man fährt ihn zusammen mit anderen verhafteten Kollegen in die Bezirksstadt Frankfurt (Oder), wo die Verhöre beginnen. Am 25. Juni 1953 findet der Prozess statt, Heinz Grünhagen ist mit seinen 20 Jahren der jüngste Angeklagte. Er erhält fünf Jahre Zuchthaus. Das Gericht wirft ihm vor, bei den Auseinandersetzungen mit der Polizei Wortführer der Streikenden gewesen zu sein. Der junge Mann verbüßt seine Strafe im Zuchthaus Luckau. Nach seiner Haftentlassung im Jahre 1956 bleibt er in der DDR. Heinz Grünhagen arbeitet fortan im Straßenbau. Jegliche berufliche Entwicklung bleibt ihm versagt. Nach der Friedlichen Revolution 1989 engagiert sich Heinz Grünhagen dafür, die Erinnerung an den Aufstand vom 17. Juni 1953 lebendig zuhalten.



Biografische Angaben zu Heinz Grünhagen finden sie im Personenlexikon.

Zitierempfehlung: „Heinz Grünhagen“, hrsg. v. Bundeszentrale für politische Bildung und Robert-Havemann-Gesellschaft e.V., letzte Änderung Dezember 2019, www.jugendopposition.de/145509

 


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