Rostock, Wintersemester 1948/49. Roland Bude erhält eine Studienzulassung für die Universität Rostock. Er möchte dort sein 1947 in Jena begonnenes Studium der Slawistik fortsetzen, da die für Jena angekündigten Slawistik-Professoren ausbleiben. Rostock lockt ihn außerdem wegen des Ostseestrandes und der großen Landwirtschaftsgüter der Universität. Die Studenten werden dort zusätzlich mit Lebensmitteln versorgt. Die Versorgungslage in Jena ist vor allem zu Zeiten der Leipziger Messe dürftig: Auf die Fettmarken gibt es dort kein Fett mehr, sondern nur Eier, Käse und Zucker. Das Gleiche gilt auch für die Fleischmarken.
In Rostock angekommen, gerät Roland Bude in die turbulente Gründungsphase der Hochschulgruppe der Freien Deutschen Jugend (FDJ). Er lernt deren Vorsitzenden Arno Esch kennen, der sich als Studentenvertreter gegen die Machtübernahme durch die SED wehrt. Für Roland Bude ist Arno Esch in der Auseinandersetzung mit der SED der überzeugende Wortführer. Als politisch wacher und interessierter junger Mann liest Roland Bude die Artikel Arno Eschs in der Norddeutschen Zeitung und greift dessen Argumente auf.
Im Oktober 1949 werden Arno Esch und mehrere seiner Freunde von der sowjetischen Geheimpolizei verhaftet. Arno Esch wird zum Tode verurteilt und 1951 in Moskau erschossen.
Roland Bude beschließt, einen anderen Weg des Widerstands zu gehen. Er versucht, viele Studenten, die der SED fern stehen, zum Eintritt in die FDJ zu bewegen. Ein schlauer Schachzug, denn so können sie die Mehrheitsverhältnisse verändern und auf Entscheidungen, wie die Vergabe von Stipendien, Einfluss nehmen. Er selbst übernimmt im Vorstand der FDJ-Hochschulgruppe die Bereiche Kultur und Erziehungsarbeit. Zugleich wird er im Studentenrat Kulturreferent. Seine Heimfahrten nach Thüringen nutzt er, um einen Zwischenaufenthalt in West-Berlin einzulegen. Dort knüpft er Kontakte mit geflüchteten Studenten der Universität Rostock.
Als die SED-Leitung erkennt, dass die FDJ zum Sammelbecken oppositioneller Studenten wird, schlägt sie zu. An einem heißen Julitag im Jahre 1950 wird Roland Bude unter einem Vorwand zum Verwaltungsdirektor der Universität bestellt. Dort warten Mitarbeiter der Staatssicherheit auf ihn. Er wird in die Stasi-Zentrale gebracht und beschuldigt, westliches Schrifttum eingeschleust zu haben.
Man schlägt ihm vor, doch für die Staatssicherheit als Spitzel tätig zu werden und in die SED einzutreten. Als Roland Bude dies sofort ablehnt, wird er den sowjetischen Behörden übergeben. Ein verhafteter Kommilitone verrät der Staatssicherheit, dass Roland Bude Kontakt zu geflüchteten Studenten in West-Berlin unterhält. Nach langen, harten Verhören bekennt er sich im Sinne der sowjetischen Interpretation der Gesetze schuldig.
Am 31. Oktober 1950 verurteilt ihn das Sowjetische Militärtribunal (SMT) in Schwerin wegen „Spionage und antisowjetischer Hetze“ zu zweimal 25 Jahren Besserungsarbeitslager, so die offizielle Bezeichnung. Er wird zur Zwangsarbeit nach Workuta in ein Straflager besonders strengen Regimes nördlich des Polarkreises verschleppt. Dort erlebt Roland Bude im Sommer 1953 den verzweifelten Aufstand der Häftlinge gegen das Zwangssystem mit. Erst 1955 kommt er frei und kehrt zu seiner Familie zurück, die inzwischen in München lebt.
Biografische Angaben zu Roland Bude finden sie im Personenlexikon.
Zitierempfehlung: „Roland Bude“, hrsg. v. Bundeszentrale für politische Bildung und Robert-Havemann-Gesellschaft e.V., letzte Änderung Dezember 2019, www.jugendopposition.de/145504
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Den Kriegsbeginn erlebten wir bereits dadurch, dass zum Schuljahresbeginn '38/'39, im zweiten Schuljahr, viele der jüdischen Mitschüler nicht mehr erschienen. Diese hatten, durch die Ereignisse in Österreich, die Möglichkeit wahrgenommen, ins Ausland zu emigrieren. Gablonz war durch die Schmuckindustrie ein bedeutender Exportpunkt, und die 32 großen Exportgeschäfte in der Stadt waren überwiegend in jüdischer Hand. Unsere Schulklasse hatte 30 Schüler, 17 Mädchen, 13 Jungen. Von den 13 Jungen waren sechs jüdischer Zugehörigkeit, und mit denen haben wir ohne Gehässigkeiten als Mitschüler gelebt. Wir merkten natürlich, dass die nun plötzlich fehlten.
Der Kriegsbeginn wurde außerdem dadurch markiert, dass der Unterricht erstmal auf unbestimmte Zeit ausfiel. Ich bin also als Dreizehneinhalbjähriger nach Hause gekommen. Da lebte die Ziehtante meines Vaters noch bei uns in der Familie. Ich war ganz begeistert: ´Tante, wir haben jetzt unbegrenzt [schulfrei] ...`, und feierte das in meinem jugendlichem Unverstand als ein überaus erfreuliches Ereignis. Als die Tante sagte: ´Bub, du weißt ja nicht, wovon du redest!`, und [erinnerte] mich an den Hungerwinter '15/'16, in dem Rübenschnitzel und so gegessen wurden. Da sagte ich mir: `Was will die denn, '15/'16, das ist vor 23 Jahren gewesen, das ist graue Vorzeit. Jetzt sind wir ja viel weiter in der Entwicklung`.
Das war die Stimmung, die für uns Sudetendeutsche bezeichnend war. Vor allem in der sehr volks- und deutsch-national bewussten Stadt Gablonz war das Ereignis des Anschlusses Österreichs ans Deutsche Reich eine ganz wesentliche Sache. Wir Schüler machten Wetten, ob im Jahre 1938 auch noch das Sudetenland befreit würde oder nicht. Denn wir gehörten ja zu Österreich, nicht zum Deutschen Reich. Wenn die Österreicher jetzt zum Reich gekommen sind, dann ist es ganz klar, dass wir auch mal da hinkommen müssen. Und in dieser Stimmung war für uns der Kriegsbeginn ein eindrucksvolles Erlebnis. Diese Entwicklung hat uns als Schüler, als Kinder – wir waren 12, 13 Jahre alt – bestimmt.
Roland Bude, Zeitzeuge auf www.jugendopposition.de