Ab Juli 1989 flüchten Tausende DDR-Bürger über Ungarn, Polen und die Tschechoslowakei in den Westen. Es kommt zu Botschaftsbesetzungen. Am 1. und 4. Oktober 1989 fahren Tausende Flüchtlinge mit Sonderzügen quer durch die DDR in den Westen. Entlang der Bahnstrecke in der DDR spielen sich tumultartigen Szenen ab. Im Bild der Hauptbahnhof in Dresden, wo sich am 3. und 4. Oktober 1989 Tausende Demonstranten und Sicherheitskräfte Straßenkämpfe liefern. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft
Nicht zuletzt wegen seiner Forderungen Glasnost und Perestroika (russisch für Transparenz und Umgestaltung) hat der sowjetische Staatschef Michael Gorbatschow viele Fans in der DDR. Am 6. Oktober 1989 wird er von DDR-Staats- und Parteichef Erich Honecker am Flughafen Schönefeld begrüßt. Quelle: Bundesarchiv/183-1989-1006-410/Karl-Heinz Schindler
In vielen DDR-Städten geht die Staatsmacht mit Gewalt gegen Demonstranten vor. Im Bild: Plauen am 7. Oktober 1989. Quelle: BStU, MfS, Ast. Chemnitz Abt. XX, 2733, Fo 2/74
Während die Partei- und Staatsführung im Palast der Republik den 40. Jahrestag der DDR feiert, gehen Polizei und Staatssicherheit brutal gegen Demonstranten vor. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft/Nikolaus Becker/RHG_Fo_NiBe_002_24_1
Am 9. Oktober 1989 demonstrieren mehr als 70.000 Menschen in Leipzig friedlich gegen das SED-Regieme und fordern Reformen. Aram Radomski und Siegbert Schefke filmen und fotografieren heimlich dieses Ereignis. Anschließend werden ihre Aufnahmen mit Hilfe von West-Journalisten nach West-Berlin geschmuggelt. Die sensationellen Bilder sind noch am selben Abend in den Tagesthemen zu sehen. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft/Aram Radomski/RHG_Fo_HAB_21002
Im Herbst 1989 geht man an vielen Orten der DDR zuerst zum Friedensgebet in die Kirche und dann auf die Straße. Im Bild: die Demonstration in Leipzig am 23. Oktober 1989 mit über 300.000 Teilnehmern. Quelle: Bundesarchiv/Bild 183-1989-1023-022/Friedrich Gahlbeck
„Gorbi, Gorbi hilf uns!“ Die Stasi erstellt eine Liste der auf den Demos gezeigten und gerufenen Forderungen und Losungen (23. Oktober 1989). Quelle: Bundesarchiv / Stasi-Unterlagen-Archiv Abschrift
Großdemonstration für Reformen und Demokratie am 4. November 1989 auf dem Alex in Ost-Berlin. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft/ Andreas Kämper/RHG_Fo_AnKae_346
Am 10. November 1989 stehen Bewohner aus West- und Ost-Berlin auf der Mauerkrone am Brandenburger Tor. 28 Jahre lang ist das Brandenburger Tor das Symbol für die Teilung der Stadt gewesen. Nun ist es für alle Deutschen zum Greifen nahe. Am 22. Dezember 1989 wird endlich auch die Mauer am Brandenburger Tor geöffnet. Quelle: REGIERUNGonline/Klaus Lehnartz
Der Beginn der demokratischen Revolution in der DDR ist nicht an einem genauen Datum festzumachen. Zu vielfältig sind die Ereignisse, die schon seit Anfang des Jahres 1989 dazu führen, dass den DDR-Oberen die Zügel aus den Händen gleiten. Dabei sind es maßgeblich zwei Phänomene, die an den Grundfesten des Staates rütteln: zum einen die Fluchtwelle, zum anderen die Protestwelle derjenigen, die auf der Straße „Wir bleiben hier!“ skandieren. Im Verlauf des Spätsommers und Herbstes 1989 werden diese beiden Strömungen zu den treibenden Kräften, die zum Sturz der SED-Herrschaft führen – und damit zur eigentlichen Revolution.
Springt auf! Es geht ein Sonderzug in die Freiheit!
Eines der wichtigsten Ereignisse der Revolution ist die Straßenschlacht um den Dresdner Hauptbahnhof in der Nacht vom 3. zum 4. Oktober 1989. Hunderte DDR-Bürger, die die Prager Botschaft der Bundesrepublik besetzt haben, um ihre Ausreise aus der DDR zu erzwingen, werden in dieser Nacht in Zügen der Deutschen Reichsbahn quer durch die DDR nach Westen gefahren. Die Nachricht wird im West-Fernsehen gesendet und verbreitet sich wie ein Lauffeuer in der ganzen DDR.
Tausende Menschen versammeln sich daraufhin am Dresdner Hauptbahnhof, um auf den Zug nach Westen, den Zug in die Freiheit, aufzuspringen. Es kommt zu einer regelrechten Straßenschlacht zwischen schwer bewaffneter Polizei und meist jugendlichen Demonstranten, die vergeblich versuchen, den Bahnhof zu stürmen. Viele DDR-Bürger sehen in dieser Nacht das erste Mal in ihrem Leben Wasserwerfer und Polizisten mit Helm und Schild.
Am 7. Oktober 1989, dem 40. Jahrestag der DDR, und in den Tagen danach finden Protestdemonstrationen im ganzen Land statt, die größten in Ost-Berlin, Plauen und Leipzig. Die Demonstranten fordern nicht nur Reisefreiheit, sondern eine grundlegende Demokratisierung des Landes mit allen damit verbundenen Folgen. Große Hoffnungen setzen viele Bürger in den Besuch des sowjetischen Staatschefs Michail Gorbatschow, der mit seinen Reformen in der Sowjetunion für viele als Idol gilt.
Die wichtigsten Daten der friedlichen Revolution kann man heute wie folgt umreißen: die Öffnung der ungarischen Grenze zu Österreich, der Aufruf des Neuen Forums am 10. September 1989; die Demonstrationen am 7. Oktober in Berlin, Plauen und anderen Orten, die Montagsdemonstration am 9. Oktober in Leipzig, das Erzwingen der Maueröffnung am 9. November, die ersten Besetzungen von Stasi-Gebäuden in Erfurt, Leipzig, Rostock und Suhl am 4. Dezember; der Beginn der Gespräche am Zentralen Runden Tisch am 7. Dezember in Berlin; die erste freie Wahl am 18. März 1990.
Nicht zu vergessen ist die Bedeutung der vielen Demonstrationen im ganzen Land; ebenso die der Gründung von Bürgerbewegungen, unabhängigen Gewerkschaften, Initiativen in Städten, Kreisen und Dörfern; der vielen regionalen und thematischen Runden Tische; der Einnahme aller Stasi-Objekte und hierbei die Initiative des Volks, sein Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen. Einige der wichtigsten Aktionen werden von Jugendlichen organisiert und getragen.
Zitierempfehlung: „Herbst 89“, hrsg. v. Bundeszentrale für politische Bildung und Robert-Havemann-Gesellschaft e.V., letzte Änderung Dezember 2019, www.jugendopposition.de/145318
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Da waren die ersten Demos in Dresden oder einfach nur aufgeregte Leute, die rumgerannt sind. Der Ziemer ist auch mit hin und hat die irgendwie beruhigt, Leute in die Kreuzkirche reingelassen, die auf der Flucht vor irgendwelchen Polizisten waren. Es schaukelte sich hoch, mit Gottesdiensten und danach Auf-die-Straße-gehen. In Leipzig war das, glaub ich, massiver, aber in Dresden gab es das in kleinerem Maßstab auch. Und irgendwann kam der Stadtjugendpfarrer, Martin Henker, zu uns und meinte, er wüsste, woher auch immer, dass unsere Familie und noch ein paar andere Familien verhaftet werden sollen. Es wäre besser, wir verschwänden aus Dresden. Das war vielleicht am 5. Oktober. Zumindest sollten wir mit dem Zug wegfahren, wir hatten ja kein Auto. Aber der Bahnhof war zu dem Zeitpunkt schon gesperrt.
Ein Freund, der ein Auto hatte, hat uns nach Chemnitz [damals noch Karl-Marx-Stadt] gefahren. Die Familien sind woanders untergeschlüpft. Wir haben bei einer Freundin gewohnt, in einer Einraumwohnung, zu neunt. Aber das ging auch nur zwei Tage ruhig her. Da fing das in Chemnitz genauso an. Da waren genau diese Demos, und ich bin auf der einen Brücke in eine Demo reingeraten, ganz zufällig mit dem Kinderwagen und den ganzen Kindern. Die hatten ja auch West-Fernsehen, ich habe mitverfolgen können, was abgeht, und am 7. Oktober war bereits klar: Man kann sich hier nicht verstecken. Quatsch, wir fahren zurück.
Wir sind nach Dresden zurückgefahren und im Prinzip genau in dem Moment angekommen, als Herr Ziemer auf der Prager Straße bewirkt hat, dass die Polizei die Waffen niederlegte und dieser Runde Tisch gegründet wurde.
Johanna Kalex, Zeitzeugin auf www.jugendopposition.de