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U-Boot

Ein von Häftlingen geprägter Begriff. Das „U-Boot“ wird im sowjetischen Sperrbezirk Berlin-Hohenschönhausen im Frühjahr 1947 in Betrieb genommen. Bezeichnet werden damit die fensterlosen Kellerzellen im Zentralen Untersuchungsgefängnis für Deutschland, das das sowjetische Ministerium für Staatssicherheit (MGB) im Keller einer ehemaligen Großküche der NSDAP einrichtet. Es wird von Zwangsarbeitern mit etwa 60 (größtenteils fensterlosen) Zellen ausgestattet, die für tatsächliche oder mutmaßliche Gegner des sowjetischen Regimes gebaut werden.

Eine Unschuldsvermutung gibt es nicht, jeder Eingelieferte wird verurteilt. Allerdings darf nach den Vorschriften der Gründers des sowjetischen Geheimdienstes, Feliks E. Dzierzynski, niemand ohne Schuldeingeständnis verurteilt werden. Also werden Gefangene so lange gequält, bis sie zur Unterschrift unter die Protokolle bereit sind. Weil monatlich eine vorgegebene Anzahl von Verhaftungen vorgenommen werden müssen, werden auch viele Unschuldige zu Geständnissen gezwungen und verurteilt.

Aber im U-Boot sitzen auch viele „Schuldige“: von Schülern, die negative Äußerungen über den sowjetischen Diktator Stalin gewagt haben, über Unternehmer, die die Beschlagnahmung ihres Betriebs nicht klaglos hinnehmen wollten, bis zu Intellektuellen, die gegen die Machtergreifung der Kommunisten in der Sowjetischen Besatzungszone Widerstand geleistet haben.

Auch Nazis werden in Hohenschönhausen eingeliefert, offiziell etwa 10 Prozent der Gefangenen. Darunter gibt es allerdings auch viele, die nach heutigen Maßstäben unschuldig sind. Möglichst viele sollen nach den Vorgaben der Besatzungsmacht als Faschisten verurteilt werden. So wird ein junger Mann, der 1947 in der Schönhauser Allee Plakate für die SPD klebt, wegen „faschistischer Propaganda“ verurteilt.

Die Zustände in den Kellerzellen des U-Boots sind unter dem sowjetischem Regime lebensbedrohend. Es gibt kaum Wasser zum Waschen, keine Haftkleidung, keine Zahnbürste, kein Toilettenpapier für die Kübel in den Zellen. Es gibt nur sehr wenig und schlechtes Essen. Die Gefangenen beginnen zu verhungern. Die brutalen Wärter leisten sich gelegentlich ihre „Privatvergnügungen“, indem sie Frauen vergewaltigen oder Männer quälen. Hinzu kommen die dienstlichen Quälereien im Auftrag der Vernehmer: Zusammenschlagen von Gefangenen, Einsperren in Stehzellen oder auch Wasserzellen, in denen die Gefangenen über Tage mit Wasser ausgekühlt werden, bis sie zum Geständnis bereit sind.

Über die Anzahl der Opfer liegen keine Angaben vor, weil das Material in den sowjetischen Geheimdienstarchiven liegt. Bekannt ist immerhin, dass von 1947 bis 1951 25.000 bis 26.000 Gefangene durch die Untersuchungshaft in Hohenschönhausen gehen. Sie werden nach ihrer Verurteilung oft in sowjetische Arbeitslager gebracht, wo etwa ein Drittel von ihnen ums Leben kommt. Zum Tode Verurteilte werden in Moskau erschossen.

Im Frühjahr 1951 übergibt der sowjetische Geheimdienst den Sperrbezirk Hohenschönhausen der DDR-Regierung, die ihn dem eigenen Geheimdienst, dem Ministerium für Staatssicherheit, zur Verfügung stellt. Die Stasi führte das U-Boot und die dazu gehörigen Gebäude als „Zentrale Untersuchungshaftanstalt des MfS“ weiter.

Obwohl die Untersuchungshaft noch stark von sowjetischen „Instrukteuren“ bestimmt wird, gibt es Milderungen bei den Haftbedingungen. Zum einen aus Mentalitätsgründen: Man hält es in Deutschland nicht für angemessen, dass sich Wächter private „Vergnügungen“ mit Gefangenen leisten. Zum anderen aus Effektivitätserwägungen: Die Gefangenen werden nach ihrer Verurteilung zur Zwangsarbeit für das DDR-Regime gebraucht. Es gibt Wasser zum Waschen, Toilettenpapier, Zahnbürste und Haftkleidung, die regelmäßig gewaschen wird. Die Zellen sind nicht mehr ganz so überfüllt, und es gibt etwas mehr Essen. Das heißt: Die Gefangenen verhungern nicht mehr, sondern hungern „nur noch“. Und nach dem Tod von Stalin am 5. März 1953 wird auf Anweisung des sowjetischen Geheimdienstchefs schwere körperliche Folter verboten.

Ab dann wird in Hohenschönhausen vorzugsweise mit Schlafentzug, aber auch mit dem Gummiknüppel „gearbeitet“. Gegen prominente Gefangene, die man bei einem etwaigen Schauprozess äußerlich unbeschädigt vorzeigen muss, werden psychologische Folterverfahren wie monatelange Isolation angewendet. Sogar eine Höhensonne soll vor einem solchen Prozess zur Verfügung gestanden haben, so dass der wenig pressewirksame Eindruck verhindert wird, der Gefangene sei monatelang in einem kalten, lichtlosen Keller gequält worden.

Nach der Fertigstellung des Gefängnisneubaus 1961 werden die Gefangenen immer häufiger dorthin verlagert. Die Haftgeschichte von Hohenschönhausen geht dort weiter. Im U-Boot gibt es vermutlich seit Ende der 1960er Jahre keine Untersuchungsgefangenen mehr. Nach dem Ende des DDR-Regimes wird das U-Boot Teil einer Gedenkstätte, durch die heute jährlich Hunderttausende von Besuchern geführt werden.


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