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Untersuchungsausschuss freiheitlicher Juristen (UfJ)

Angesichts des Terrors des sowjetischen Narodny Komissariat Wnutrennich Del (NKWD) und der deutschen K 5, einer bei den Ländern angesiedelten politischen Polizei, entsteht im Westen seit etwa 1948 das Bedürfnis nach einer umfassenden Dokumentation der Unrechtstaten in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ). Horst Erdmann, ein Anwalt aus Belzig in Brandenburg, veröffentlicht 1948 unter Pseudonym in West-Berlin einige Artikel über Rechtsverletzungen in Ostdeutschland sowie einen Aufruf, diese Vorfälle zu sammeln, um die Täter eines Tages zur Rechenschaft ziehen zu können. Aufgrund der großen Resonanz beschließt er nach seiner Flucht in den Westen, diese Arbeit in einem Komitee zu institutionalisieren.

Im Herbst 1949 nimmt der zunächst ehrenamtliche Untersuchungsausschuss freiheitlicher Juristen in der Sowjetzone seine Tätigkeit auf. Aufgabe des UfJ ist die Registrierung von politischem Unrecht in der DDR. Das erklärte Ziel ist die Vorbereitung von Strafverfahren gegen die Täter. Die „Drohung des Rechts“ soll bei den Funktionsträgern in der DDR Zurückhaltung im Umgang mit politisch Verfolgten bewirken. Außerdem betreibt der Untersuchungsausschuss eine umfangreiche Flugblattpropaganda in der DDR sowie die Aufklärung der deutschen und internationalen Öffentlichkeit über die Verbrechen in der DDR. Ost-Flüchtlingen soll juristische Unterstützung gewährt werden. Im Unterschied zur Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit (KgU) arbeitet der UfJ allein mit Mitteln der Nachrichtenbeschaffung, Information und Propaganda.

Die Finanzierung liegt bei einer amerikanische Stiftung, hinter der offenbar die US-Regierung steht. Parallel übernimmt das Bundesministerium für Gesamtdeutsche Fragen nicht unerhebliche Druckkosten für das Propagandamaterial und dessen Versand. Der Vorwurf geheimdienstlicher Steuerung wird schon damals (nicht nur von östlicher Seite) erhoben, vom UfJ aber stets zurück gewiesen.

In den frühen 1950er Jahren wird die Arbeit des UfJ immer mehr ausgebaut. Ihre Zentrale in Berlin-Zehlendorf wird von vielen DDR-Bürgern besucht. Das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) berichtet 1955, dass monatlich etwa 1.500 bis 2.000 Personen aus der DDR den UfJ aufsuchen. Sie suchen Rat und Unterstützung oder liefern Informationen aus der DDR. Andere schicken Material mit der Post. Auf diese Weise entsteht eine umfangreiche Kartei über Personen aus der DDR. In welchem Umfang diese Informationen vom US-Geheimdienst genutzt werden, ist umstritten.

Im Juli 1952 wird vor dem Obersten Gericht der DDR ein Schauprozess gegen Vertrauensleute des UfJ abgehalten. Es handelt sich dabei um sieben hohe Wirtschaftsfunktionäre der DDR. Zwei der Angeklagten werden zu lebenslänglichem Zuchthaus verurteilt, die anderen zu hohen Freiheitsstrafen. Das harte Urteil soll signalisieren, dass die DDR im Kampf gegen die angebliche Agentenorganisation keine Nachsicht üben wird.

Das MfS entfaltet einen regelrechten Untergrundkrieg: Am 8. Juli 1952 wird der Wirtschaftsleiter des UfJ, Dr. Walter Linse, auf dem Weg zur Arbeit überfallen, in ein Auto gezerrt und über die Sektorengrenze in den Osten verschleppt. Walter Linse wird dem sowjetischen Geheimdienst übergeben, in Moskau zum Tode verurteilt und am 15. Dezember 1953 hingerichtet.

Der UfJ wird durch die SED mit allen Mitteln der Propaganda bekämpft. Auf einer Pressekonferenz in Ost-Berlin am 25. Juli 1958 präsentiert die DDR Dokumente, nach denen der Leiter des UfJ, Horst Erdmann, sich der „Hochstapelei“ und der „mehrfachen Fragebogenfälschung“ schuldig gemacht habe. Er führe seinen Doktortitel zu unrecht, habe in Fragebögen falsche Angaben zur Person gemacht und in eidesstattlichen Erklärungen seine Mitgliedschaft und seine Funktionen in der NSDAP verheimlicht. Stattdessen habe er sich in mehreren Interviews eine jüdische Mutter angedichtet und gar eine Widerstandstätigkeit angedeutet.

Da die Vorwürfe sich als sachlich begründet erweisen, zieht sich Horst Erdmann von der Tätigkeit im UfJ zurück. Bei der Überprüfung des Arbeitsstabs stellt sich heraus, dass weitere Mitarbeiter des UfJ durch ihre NS-Vergangenheit schwer belastet sind, einer sogar auf der Kriegsverbrecherliste steht und ein anderer wegen Missbrauchs Minderjähriger vorbestraft ist. Auch die amerikanischen Geldgeber werden nun nervös und stellen die Finanzierung ein.

Von dieser Affäre erholt sich der UfJ nicht mehr. Er beschränkt sich zunehmend auf publizistische und wissenschaftliche Tätigkeitsfelder. 1969 beendet der UfJ seine Tätigkeit. Seine Aufgaben werden vom Gesamtdeutschen Institut übernommen, einer dem Bundesministerium für Gesamtdeutsche Fragen untergeordnete Bundesbehörde. Die restlichen Mitarbeiter werden als Beamte in den Staatsdienst übernommen.


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