Ormig-Vervielfältigung
Spezielles Verfahren zur Herstellung einfacher Druckerzeugnissen in geringer Auflage. Der Name geht auf die Berliner Firma Ormig zurück. Bei dem „Spiritus-Umdruck-Verfahren“ wird mittels Schreibmaschine oder Zeichenstift eine seitenverkehrte, farbintensive Kopie des Originals hergestellt. In einem zweiten Arbeitsschritt wird ein mit Spiritus befeuchtetes Papier gegen diese Kopie gepresst. Ein Teil der Farbe wird herauslöst und auf das Papier übertragen. Durch den zweifachen Kopiervorgang erscheint der Abzug wieder in seitenrichtiger Form. Je nach Qualität der Materialien lassen sich zwischen 30 und 250 Kopien herstellen. Da vor allem kleine Institutionen dieses Verfahren benutzen, gibt es die nötigen Materialen auch in der DDR zu kaufen. Handbetriebene oder elektrische Apparate, die erst ein effektives Arbeiten ermöglichen, unterliegen jedoch einer strengen Genehmigungspflicht und Überwachung.
Das Ormig-Verfahren benutzen in der DDR vor allem kleinere oppositionelle Gruppen, die auf Apparate zurückgreifen, die sich in kirchlichem Besitz befinden. Vereinzelt gelangen die Maschinen und nötigen Materialien auch aus staatlichem Besitz in die Gruppen; manches wird auch aus dem Westen eingeschleust.
Mit den Apparaten stellen die Oppositionsgruppen Flugblätter, Untergrundzeitschriften und anderes her. Das ist zeitaufwändig und kräftezehrend, da die Matrizen für eine größere Auflage mehrmals erstellt werden müssen. Ungenehmigte Vervielfältigungen stehen unabhängig vom Inhalt unter Strafe. Wegen der Masse der Publikationen bleibt den staatlichen Organen ab Anfang der 1980er Jahre nur, ihre Existenz zur Kenntnis zu nehmen. In verschiedenen Fällen werden allerdings Vervielfältigungsmaschinen beschlagnahmt und die Verantwortlichen bestraft.
Für die Archive stellen die Ormig-Abzüge heute ein großes Problem dar, da die benutzten Farben innerhalb weniger Tagen vom Licht zersetzt werden. Man hilft sich damit, die Abzüge zu kopieren und im Dunkeln zu lagern.