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Die Akten gehören uns!_Solidaritätserklärungen, Seite 2

Die Gruppe in der ehemaligen Stasi-Zentrale erreicht zahlreiche Unterstützungsschreiben aus der ganzen DDR. In ihnen kommen nicht nur Solidaritätswünsche für die Aktion, sondern auch Protest zum Ausdruck. Dieser richtet sich besonders gegen Innenminister...
Die Gruppe in der ehemaligen Stasi-Zentrale erreicht zahlreiche Unterstützungsschreiben aus der ganzen DDR. In ihnen kommen nicht nur Solidaritätswünsche für die Aktion, sondern auch Protest zum Ausdruck. Dieser richtet sich besonders gegen Innenminister Peter Michael Diestel, der in den Augen der Bürgerrechtsgruppen zu wenig gegen die Aktenvernichtung unternimmt. Seite 2, Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft


Abschrift:

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Erklärungen
Neues Forum DDR-Büro Friedrichstr. 165 O-1080 Berlin
Berlin, den 08.09.1990
An die Besetzerinnen und Besetzer der Stasi-Zentrale in der Normannenstraße
Wir, die Vertreterinnen und Vertreter der Jugendgruppen des Neuen Forums (Alternatives Demokratisches Jugendforum) erklären uns solidarisch mit Eurer Aktion und unterstützen Eure Forderungen nach Stasi und Staatsvergangenheitsbewältigung in allen Punkten.
Ausdrücklich beharren wir auf die Entlassung des Innenministers Peter Michael Diestel und außerdem aller ehemaligen Mitarbeiter des MfS aus den Ministerien und dem öffentlichen Dienst. Die Stasi-Akten müssen hier und durch die Ofer aufgearbeitet werden!
Sprecherrat der Jugendgruppe beim NF

Erklärung des Bürgerkomitee’s Halle
Das Bürgerkomitee Halle zur Auflösung des MfS/AfNS erklärt seine Solidarität mit der Aktion und den Zielen der Besetzer des Archivs des MfS in der Normannenstraße Berlin: Wir fordern, dass das Gesetz über die Nutzung der personenbezogenen Daten des ehemaligen MfS, vorgelegt als Drucksache 165a, in den Staatsvertrag aufgenommen wird. Politische, historische und juristische Aufarbeitung der Daten kann nur mit den betroffenen geschehen.

Chemnitz, den 05.09.90
Kommission zur Auflösung des MfS im Bezirk Chemnitz
Leiter: Hans Jürgen Richter
Ministerrat
Ministerpräsident
Herrn Lothar de Maiziere
Klosterstr. 47
Berlin
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident,
aus tiefer Verantwortung um eine moralische Gesundung unseres Volkes nach den bitteren Jahren stalinistischer Diktatur des SED-Regimes sind wir angetreten, eines der traurigsten Kapitel unserer Nachkriegsgeschichte aufzuarbeiten und dem Volk transparent zu gestalten, daß der Staatssicherheit.
Leider müssen wir heute feststellen, daß ihre Regierung in den zurückliegenden Monaten keinerlei rechtliche Grundlagen geschaffen hat, die eine wirkungsvolle Aufarbeitung dieses an unserem Volk
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Begangenen Unrechts ermöglicht. In dieser Beziehung setzten Sie die Taktik der Verschleierung und Vertuschung der Modrow-Regierung fort. Das ist für uns alle unerträglich und wirft einen tiefen Schatten auf die ersehnte Einigung unseres Landes.
Es ist Ihre und unsere Pflicht, alles dafür zu tun, um die Angst, die psychische Deformation und geistige Emigration eines ganzen Volkes überwinden zu helfen. Wie sonst soll sich Kraft, Zuversicht und innerer sozialer Frieden entfalten, um die ungeheure Aufgabe des Wiederaufbaus unserer Wirtschaft zu bewältigen?
Es ist nicht genug, daß bisher keine Anklage gegen die ehemals Verantwortung tragenden SED-Funktionäre und Staatssicherheits-Mitarbeiter erhoben wurden, nein – jetzt sollen auch noch die Nachweise ihrer Schuld vom Ort ihrer Verbrechen weggeschafft werden. Damit erlischt gleichzeitig die letzte Hoffnung von Tausenden von Opfern des Stalinismus auf eine Rehabilitation.
Gegen diese Verfahrensweise erheben wir im Namen der Opfer und des Gewissens unseres Volkes auf das Entschiedenste Protest! Wie je wollen wir in eine glückliche Zukunft gehen, wenn wir vor unserer Vergangenheit davonlaufen? Praktizieren wir den aufrechten Gang! Er ist schmerzlich, aber der Einzige!

Bund der stalinistisch Verfolgten e.V.
Bezirksverband Chemnitz – Sachsen
Karl-Marx-Allee 12 PSF 848
Chemnitz 9010
3.8.1990
Presseerklärung
Wie lange darf uns Herr Diestel noch verhöhnen?
Mit Unverständnis und Empörung haben wir, die politisch Verfolgten des unseligen SED-Stasi-Regimes, schon von manchen „Kapriolen“ des Herrn Diestel Kenntnis nehmen müssen.
Das reicht über die Einstellung ehemaliger „Spezialisten“ aus dem MfS, die er für unverzichtbar hält bis zur Ernennung des ehemaligen Mitgliedes der „Bezirkseinsatzleitung“ Karl-Marx-Stadt, Generalmajor a. D. Müller als Staatssekretär im Innenministerium: von der rührenden Sorge um die Sicherheit und soziale Absicherung ehemaliger „Schild- und Schwertträger“ der SED bis zur erklärten Absicht, Akten und Beweismaterial über und zu deren Untaten vernichten zu wollen.
Noch zu keiner Zeit haben wir aus dem Munde des Innenministers eine Erklärung gehört, was er zu tun gedenkt, um die Opfer dieses zutiefst inhumanen Systems der Unterdrückung und Verfolgung in irgendeiner Weise sozial und materiell sicherzustellen. Stattdessen versteigt er sich in der Sendung „Klartext“ im Dff II am 2.8.1990 zu der Behauptung, es habe in der DDR nur etwa 6, höchstens 10 „Widerstandskämpfer“ gegeben und nennt im gleichen Atemzuge die Herren Havemann, der unsere Hochachtung verdient und Janka.
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Wir sind ganz sicher, daß die übrigen 4 bis 8 Personen, denen Herr Diestel dieses Prädikat zuzuerkennen gedenkt, auch in der Liste ehemalige profilierter SED-Genossen zu finden sind!
Der Gipfel aller Unverschämtheit ist es, die Tausende, Frauen und Männer, die dem SED-Regime mutig die Stirn geboten haben, die für ihre Überzeugung jahrelang Zuchthausstrafen in Kauf genommen haben, die eben diesem real existierenden Sozialismus und seinen Schergen Widerstand geleistet haben, als „Hochstapler“ zu bezeichnen.
Für diese Herabwürdigung, Herr Diestel, die alle aufrechten Menschen unseres Landes, die politischen Verfolgten und 100000de, die in den schicksalsschweren Oktobertagen des vergangenen Jahres dafür eingetreten sind, daß dieses Land aus der Finsternis der SED-Diktatur heraustreten konnte zutiefst beleidigt und verhöhnt, haben Sie sich in aller Form zu entschuldigen! Ziehen Sie die Konsequenzen aus Ihrer Entgleisung, treten Sie zurück!
Sie sind für ein demokratisches Gemeinwesen nicht tragbar!
Im Auftrag des Bundesvorstandes des Bundes der stalinistisch Verfolgten
gez. Werner Jäger
Vorstandsmitglied des Bundes
Volkmar Rahnfeld

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