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Revolution 89 - Demonstrationen in der ganzen DDR_RHG_Fak_0087

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Bericht über eine Demonstration in Halle/Saale am 9. Oktober 1989, auf der die Polizei gewaltsam gegen Demonstranten und Schaulustige vorgegangen ist. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft
Bericht über eine Demonstration in Halle/Saale am 9. Oktober 1989, auf der die Polizei gewaltsam gegen Demonstranten und Schaulustige vorgegangen ist. Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft


Abschrift:

Bericht über eine Demonstration in Halle/Saale am 9. Oktober 1989

Zu den Ereignissen am 9.10.1989 in Halle


An diesem Tag sollte 17 – 18 Uhr ein Sit in an der Stirnseite der Marktkirche stattfinden, das unabhängig von kirchlichen Mitarbeitern geplant war. Zu dem Thema „Gewaltlos widerstehen – Schweigen für Leipzig – Schweigen für Reformen – Schweigen für das Hierbleiben“ versammelten sich viele Leute gegen 17 Uhr auf dem Marktplatz. Im Vorfeld dieser Zusammenkunft fanden vorübergehende Festnahmen von 4 Personen statt.

In der vergangenen Woche war der Marktplatz von den Ständen des „Halle-Basars“ besetzt, auch an der Stirnseite der Marktkirche. Bis 12 Uhr war diese Stelle fast geräumt. Zum Zeitpunkt des Beginns der Demonstration befand sich plötzlich wieder Material dort, wie Gerüste von Ständen, Bretter und mehrere Lieferwagen, die den vorgesehenen Platz verstellten. Die Leute (ca. 1000) sammelten sich nun vor den Eingängen der Marktkirche, deren Pforten für alle Fälle geöffnet waren. 17.15 Uhr wurde dort ein Transparent mit den o.g. Thesen entrollt. 17.30 Uhr rückte Polizei in Sichtnähe und forderte gegen 17.40 Uhr per Lautsprecher, die Versammlung aufzulösen, weil keine Genehmigung vorliege; ansonsten werde Polizeigewalt eingesetzt. Nach der dritten Aufforderung wanderte das Plakat zurück in die Kirche. Inzwischen stauten sich Hunderte Schaulustige und Sympathisanten auf dem Marktplatz. Die Polizei hatte den Zugang zur Marktkirche durch mit Schlagstöcken ausgerüstete, in Doppelreihe stehende Polizisten abgeriegelt. Dennoch blieb ein großer Teil der 1000 bis 1500 Leute bis etwa 17.50 Uhr mit brennenden Kerzen und Blumen in den Händen demonstrativ vor der Kirche stehen. Dann läuteten die Glocken der Marktkirche, und eine Andacht begann. Sympathisanten und Schaulustige gelangten dann nicht mehr durch die Polizeiketten zur Kirche, d. h. der Durchgang vom Markt zum Hallmarkt war gesperrt. 18.15 Uhr wurden Pfarrer Körner und Pfarrer Schlademann von der Polizei ergriffen, als sie versuchten, mit den Einsatzkräften zu sprechen. Beide trugen, wie alle übrigen Pfarrer, Talar und waren keinesfalls mit Passanten zu verwechseln. Doch ihre Kollegen eilten ihnen sofort zu Hilfe, und die Ordnungskräfte ließen wieder von ihnen ab.

In der Kirche äußerten während der Andacht viele Menschen ihre Ängste und Hoffnungen im Zusammenhang mit dem Leben in unserem Land. Fast alle riefen zur Besonnenheit auf. 18.40 trieb eine Doppelkette Polizei mind. 800 auf dem Marktplatz verbliebene Personen weg, die über den Marktplatz flüchteten. 18.50 ging die Andacht zu Ende, ihre Teilnehmer mußten durch ein Spalier Sicherheitskräfte über die Treppe zum Hallmarkt nach Hause gehen. Der Marktplatz war völlig gesperrt.

Wie viele Menschen bei dem Einsatz festgenommen wurden, ist vorläufig nicht bekannt. Die Manöver der Polizei, z. T. gegen völlig unbeteiligte Passanten in der Schmeerstraße und auf dem Boulevard, erstreckten sich noch über mehrere Stunden.
Einzelne Bürger, auch ein Betrunkener, wurden zusammengeschlagen. Die Besonnenheit der Versammelten hat diesmal noch eine Eskalation der Gewalt verhindert.

L.A.


Ab heute (10.10.) findet täglich in der Georgen-Gemeinde eine Mahnwache statt. 17.00 Uhr

nur innerkirchlich

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