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Wahl 50 - Studenten im Widerstand_RHG_Fak_0161

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Um weiterhin in den Semesterferien Verwandte und Bekannte in Westdeutschland besuchen zu können, richten Studenten der Friedrich-Schiller-Universität Jena 1957 eine Petition an den Rektor ihrer Universität. Mitglieder des Eisenberger Kreises unterstützen...
Um weiterhin in den Semesterferien Verwandte und Bekannte in Westdeutschland besuchen zu können, richten Studenten der Friedrich-Schiller-Universität Jena 1957 eine Petition an den Rektor ihrer Universität. Mitglieder des Eisenberger Kreises unterstützen diese Petition, sind aber nicht die Autoren. Das MfS benutzt dieses Schreiben trotzdem als strafverschärfendes Beweismittel gegen die Mitglieder des Eisenberger Kreises. Quelle: BStU, MfS, Ast. Gera AU 33/58 (AST GA, Bd. 8, S. 192)


Abschrift:

Petition von Studenten der Friedrich Schiller Universität Jena an den Rektor ihrer Universität.



Jena, den
22.5.1957

P E T I T I O N

An Seine Magnifizenz Herrn Professor Dr. Dr. h.c. Hämel
und den Senat der Friedrich-Schiller-Universität Jena


Auf der Studentenversammlung vom 17.5.57 im Volkshaus zu Jena wurde uns vom Herrn Staatssekretär Dr. Girnus geraten, in diesen Sommerferien nicht nach Westdeutschland zu reisen, da dort für uns die Gefahr besteht, zu Spionagediensten gezwungen zu werden. Aus der Ansprache des Herrn Staatssekretärs ging nicht hervor, dass die Ausgabe von Personalbescheinigungen für Reisen nach Westdeutschland für Studierende nicht mehr gestattet ist. Wir möchten seiner Magnifizenz und dem Senat unserer Universität versichern, falls es dessen überhaupt bedarf, dass wir uns bei Besuchsreisen zu Verwandten oder Bekannten in Westdeutschland zu keinerlei Spionagediensten oder ähnlichem hergeben werden. Wer könnte auch mit einer Jugend, die nicht stark genug ist, vierzehn Tage oder drei Wochen ihre Gesinnung zu behaupten, den Sozialismus aufbauen ? Wir stützen uns darauf, dass das Vertrauen, welches wir seiner Magnifizenz und dem Senat entgegenbringen, uns wiedergeschenkt wird. Deshalb richten wir an den Lehrkörper unserer Universität die vertrauensvolle Bitte, sich dafür einzusetzen, dass es dem einzelnen Studenten nicht unmöglich gemacht wird, in den Besitz einer Reisegenehmigung für Westdeutschland zu gelangen (auch dann, wenn nicht gerade ein Verwandter ersten Grades stirbt) und keinem aus einer Reise von Deutschland nach Deutschland irgendwelche Nachteile erwachsen.

Die Spaltung unseres deutschen Vaterlandes ist unbestreitbar eine Gefahr für unsere Nation, aus welcher auch jedem einzelnen Gefahren erwachsen können. Das kann aber doch kein Grund dafür sein, den Reiseverkehr zwischen beiden Teilen Deutschlands einzuschränken, denn uns wird doch damit jede Möglichkeit genommen, unser Vaterland kennen zu lernen und das Gespräch zwischen Ost und West aufrechtzuerhalten.

Schließlich möchten wir unserer festen Überzeugung Ausdruck verleihen, dass wir in dieser Stunde durch diese Handlungsweise dem Namen unserer Universität keine Schande bereiten !



Quelle: Robert-Havemann-Gesellschaft (BStU-Kopie)

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